Samstag, 15. Dezember 2018

Sechs Pyramiden, viel heiße Luft und Bundestag

Dauerthema Luft. Was habe ich Luft verloren. Einmal im hinteren rechten Reifen, dann im hinteren linken Reifen, dann wieder im rechten und dann wieder im linken. Hammerschläge auf die Felge, Rostentfernung an der Auflagefläche, viel Flex und Drahtbürste - nichts brachte die erhoffte Dichtheit. Ende Oktober hatte sich eine Delegation des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung angekündigt. Im Rahmen eines Arbeitsessens im Marriott Mena House direkt im Schatten der Pyramiden sollten ausgewählte Themen besprochen werden, die uns in unserem Arbeits- und Lebensalltag hier beschäftigen.
Selbstverständlich wollte ich mit dem Bus anreisen, irgendwie fand ich das passend. Am Tag zuvor noch einmal die Luft gecheckt, wobei es da nicht viel zu checken gab. Beide hinteren Reifen waren platt. Ich hatte keinen Bock, beide abzuschrauben und so bin ich zu meinem Reifenhändler gegenüber und habe gefragt, ob er seine Luftdruckleitung auf 25 Meter einmal quer über die Straße verlängern kann. Konnte er. Wobei auch das nicht so wirklich geholfen hat, denn einen luftdichten Abschluss zwischen plattem Reifen und Felge bekommt man so nicht wirklich hin. Mit einigen Tricks ging es dann aber doch.
Dann wollte ich den Bus noch waschen, stand er doch einige Zeit und war entsprechend staubig. Das ging aber nicht, denn vor der Garage stand ein Auto und der Bawab hatte vergessen, seinen Schlüssel einzukassieren. Da er weder telefonisch erreichbar noch persönlich aufzufinden war, habe ich den Waschgang dann notgedrungen auf den nächsten Tag verlegt. Malesh. Hier darf man keinen Plan haben. Der funktioniert sowieso nie.
Also am nächsten Tag nach dem Frühstück in die Garage, jetzt war sie auch nicht zugeparkt, aber dafür war der rechte hintere Reifen wieder platt. Das kostet echt Nerven. Glücklicherweise hatte ich vor einiger Zeit einen Ersatzreifen organisiert, den habe ich dann aufgezogen und dann konnte endlich der Staub und Sand der letzten Wochen abgewaschen werden.
Ich denke, man merkt auch schon, wo hier das Problem in der Alltagsbewältigung liegt. Hier machen einem Dinge das Leben schwer, an die man in Deutschland nicht mal denken würde. Erledigungen, die man daheim schnell mal zwischen Tür und Angel vornimmt, verschlingen hier schnell mal einen halben Tag.
Natürlich war ich nach dieser ungeplanten Verzögerung spät dran, also schnell geduscht, in den Anzug gesprungen zurück zum Bus und den Kleinen in seinem Maxicosi mit dem neuen Gurt (das ist auch der einzige von den dreien, der benutzt wird, was mich echt erfreut) ordnungsgemäß festgeschnallt. Mehr oder weniger, aber für mich ist das gut so.

     
Hundertprozentig pünktlich war ich nicht, denn ich hatte nicht eingeplant, dass der Tourismus im Laufe des Jahres deutlich zugenommen hat und so musste ich an der Einfahrt zu den Pyramiden länger warten als gedacht. So habe ich dann auch die Vorstellungsrunde verpasst, beziehungsweise kam ich gerade noch rechtzeitig um als letzter einzuspringen. Moderiert wurde das Ganze vom Sprecher der Delegation, dem ehemaligen Verkehrsminister Peter Ramsauer. Wie passend - auch wenn nicht jede seiner Entscheidungen im Sinne der Oldtimerszene war.


Nach einem konstruktiven Austausch bei gutem Essen ging es zurück zum Hotelparkplatz. Selbstredend gab es bei der Einfahrt beim Sicherheitscheck wieder das bekannte Schauspiel, ein deutscher im Anzug in einem Arme-Leute-Bus, das passt irgendwie nicht zusammen. Aber der Parkplatzwächter erkannte dann sowohl den Bus als such mich wieder und entsprechend groß war das Hallo.
Wie ist das eigentlich so mit der Jugend? Gerade mal zehn Wochen im Leben, geht es in einem waschechten Bulli mit eigens für ihn eingebauten Gurten an die Pyramiden von Giza, Weltkulturerbe, um in einen ersten Kontakt mit den Volksvertretern des Landes zu treten, dessen Staatsbürgerschaft er zwar besitzt, das er aber noch niemals betreten hat. Klingt eigentlich ganz spannend, aber so spannend ist es dann scheinbar auch wieder nicht.


Dafür wurde es wenige Wochen später für mich um so spannender. Das Luftproblem ist mittlerweile beseitigt, ich habe bei meinem Bus- und Käferteilehändler um die Ecke zwei gebrauchte Felgen besorgt, die er zuvor überarbeiten lassen hatte. Und schon wieder Ärger mit Luft. Diesmal aber im Bremssystem. Wir waren auf dem Weg zu den Pyramiden von Dashur als plötzlich und ohne Vorwarnung das Bremspedal bis ans Bodenblech durchsackte. Nix gut. Da wird doch nicht der Hauptbremszylinder durch sein?


Ein Fahrzeug ohne Bremsen ist eher suboptimal im hiesigen Verkehr. Was also tun? Schräg gegenüber war ein Auspuffbetrieb und der hat uns an den Bremsenmohamed verwiesen, der 200 Meter entfernt war. Die Strecke konnten wir dann mit Warnblinklicht und ganz langsam bewältigen, obwohl uns einmal ein U-Turn die Fahrt erschwerte.
Nur der Mohamed war nicht da. Im Cafe nebenan hieß es, er sei in zehn Minten da. Jetzt kennen wir ja die zehn ägyptischen Minuten, eine Stunde und zwei Ahwa masbut später tat sich immer noch nichts.


Dann sollte ich den Wagen beiseite fahren. Und plötzlich war wieder Bremsdruck da. Okay, also Luft im System. Aber wo kam die her? Ich konnte keine Leckstelle finden, der Ausgleichsbehälter war auch voll. Zehn Minuten später war dann Mohamed da. Er mache zwar keine so alten Autos aber er würde das System mal entlüften. Hat er dann auch getan: Entlüftungsnippel auf, Bremspedal treten lassen, Bremsflüssigkeit spritzt auf den Boden. Old school. Malesh. Der Hauptbremszylinder ist sowieso hinüber. Das Ganze vier Mal und dann war der Druck wieder da.

 
Und wo kam jetzt die Luft her? Ich nehme an, dass sie über den Hauptbremszylinder eindringt. Zumindest war das unsere gemeinsame Erklärung. Das könnte auch wieder passieren meinte er, aber das sollte uns nicht von der Fahrt abhalten. Ich sah das genauso, man wird ja schmerzfrei hier. Muss ich halt pumpen wenn das Pedal wieder durchsackt. Dann haben noch schnell 2,50 Euro für das Entlüften und den halben Liter DOT3 den Besitzer gewechselt und es konnte weitergehen.

Ziel waren die Pyramiden von Dashur. Weniger bekannt als die Pyramiden von Giza, sind sie nicht minder interessant. Und vor allem viel weniger touristisch. Wir wollten uns die rote Pyramide, die schwarze Pyramide und die Knickpyramide ansehen. Aber irgendwie war an diesem Tag jetzt schon der Wurm drin. Es gab zwar keine Probleme mit den Bremsen mehr, dafür haperte es jetzt irgendwie an der Navigation.

Das konnte irgendwie nicht die Zufahrt zum Pyramidenplateau sein, so wenig touristisch geprägt ist das Areal dann auch wieder nicht und da müssen ja schließlich auch große Busse durch:


Es wurde nicht besser...


Wir haben Winter. Da kann es auch mal regnen. Und wenn nicht geteert ist, dann kann man auch gleich mal die Traktion testen.


Irgendwann standen wir inmitten eines Friedhofs, auf dem gerade eine Beerdigung stattfand. Eigentlich hätten wir die Fahrt dort beenden müssen, aber irgendwie war da so eine Auffahrt, so eine Art Piste nach oben, sandig zwar, aber da es die Nacht zuvor geregnet hatte, war der Untergrund hart. Ich habe dann mal Vollgas gegeben, an der Trauergemeinschaft vorbei in den Sand. Als wir oben waren ging es weiter, immer weiter und plötzlich standen wir - zwar noch in einiger Entfernung - vor den Pyramiden. Das hatte sich mal gelohnt.




Ich hatte irgendwie so das Gefühl, wir sollten nicht weiterfahren. Ansehen wollten wir uns das Ganze aber doch. Also sind wir zu Fuß weiter. Man geht ja sowieso viel zu wenig hier.

Ein letzter Blick auf den Bus und dann nur noch geradeaus...


Schön war das. An einer alten römischen Siedlung vorbei ging es immer näher an die Pyramiden heran.


   
 
Wir haben dann irgendwann auch bemerkt, dass das Areal an der Vorderseite eingezäunt ist, dass es da ein Kassenhäuschen und Polizei gibt und dass wir da quasi den Hintereingang benutzt hatten. Aber was will man denn machen. Als wir direkt vor der Knickpyramide standen, fand der Spaß dann sein Ende.


Es kamen zwei junge Männer auf einem Moped auf uns zu und wollten wissen, ob das unser Bus da vorne sei. Das konnte ich schlecht verneinen. Wir sollten da mal dringend hin, da stünde jemand von der Pyramidenverwaltung und sei ziemlich sauer. Na gut, es bleibt halt auch nicht ganz unbeobachtet, wenn man mit einem alten T2 mit Vollgas an einer Trauergemeinschaft vorbeiheizt und dann hinter der Düne verschwindet. Also sind wir zurück, was allerdings ein bisschen gedauert hat. Ja, da standen zwei und der eine von ihnen war, sagen wir mal, nicht gleich so extrem freundlich. Mit viel Höflichkeit und einigen Beteuerungen, dass das nicht unsere Absicht gewesen sei, sondern die von Google konnten wir die Situation dann deeskalieren. Allerdings sollten wir in seiner Begleitung an das Kassenhäuschen fahren und wenigstens die Eintrittstickets nachlösen. Das fanden aber die beiden Jungs auf dem Moped nicht so prickelnd, die hätten gerne gehabt, dass wir ihnen eine Strafe bezahlen. Das wollte aber unser neuer Freund nicht. Es wurde geschrien, geschubst und dann deutete er uns an, wir sollten uns einfach vom Acker machen. Auch gut.

Auf dem Rückweg hatten wir dann eine bessere Straßenführung und konnten auch sehen, wo wir am besten entlanggefahren wären. Oder am besten nicht, denn sonst wären wir nicht in den Genuss der Aufnahmen und dieser Erlebnisse gekommen.

 
Und im Hintergrund kann man auch schon wieder die Pyramiden von Giza sehen wenn man genau hinsieht.


Was steht jetzt als nächstes an? Erst einmal müssen die Bremsen gemacht werden. Ein neuer Hauptbremszylinder ist bestellt, bei der Gelegenheit kann ich dann gleich einen Rundumschlag vollziehen. Da liegt noch so einiges in der Abstellkammer...


Nach Weihnachten!

Mittwoch, 19. September 2018

Long live the times when sex was safe and motor racing bloody dangerous

Long live the times when sex was safe and motor racing bloody dangerous...

Es gibt hier keinen größeren Fauxpas als in ein Taxi einzusteigen und sich anzuschnallen. Die Adern des Fahrers schwellen an, der Kopf wird rot und wenn man Glück hat, quittiert dieser das nur mit einem möglichst unaufgeregt klingenden "What's the problem? I am good driver!".
Erfahrenere Ausländer, man nennt sie hier khawagas, wissen, dass es ohnehin keinen Sinn macht, nach dem Gurt zu greifen, denn 90 Prozent aller Anschnallvorrichtungen funktionieren sowieso nicht. Die sind aufgrund von latenter Nichtbenutzung festgegammelt und lassen sich gar nicht mehr ausrollen. Zumindest die auf der Beifahrerseite.   
Jetzt gilt in Ägypten genauso wie in Deutschland eine allgemeine Anschnallpflicht. Nur beachtet die keiner. Wenn eine Polizeikontrolle droht, dann wird der Gurt (aber nur auf der Fahrerseite) proforma ausgerollt und mit der Hand an das Gurtschloss gehalten. Einklicken geht gar nicht, das wäre dann schon wieder ganz schön uncool.
Selbstredend hatte der VW-Bus beim Kauf überhaupt keine Gurte verbaut. Jetzt ist der aber Baujahr 1977, die Gurtpflicht kam in Deutschland aber am 1. Januar 1976 (nur vorne, für die Einführung auf der Rücksitzbank sollte es noch weitere 8 Jahre dauern). Deswegen waren zumindest die wichtigsten Schraubpunkte vorhanden. Ob mal Gurte verbaut waren oder nicht, lässt sich so ohne weiteres nicht mehr nachvollziehen.
Wieso interessiert mich das eigentlich? Ich fand das Fahren ohne Gurte ganz famos, frei nach dem Motto: Hauptsache dagegen. Und außerdem lassen die Fahrweise mit dem Bulli und die maximale Geschwindigkeit eigentlich gar keine kritischen Situationen zu. Und dennoch habe ich die Auflage bekommen, Gurte einzubauen. Aber natürlich nicht von der Polizei, sondern von ganz anderer Stelle.
Als ich auf der Suche nach einem Nachrüstsatz war, habe ich mehr durch Zufall entdeckt, dass diese Universalgurte auch für den Passat der zweiten Baureihe passen. Und davon habe ich nun wirklich mehr als genug. Nur hatte ich keine Zeit, die benötigten Teile zusammenzusuchen. Ich war über Pfingsten drei Tage in Deutschland und Hans-Jürgen, ein Kumpel aus dem Passatclub, hat mir dankenswerterweise seinen Komplettsatz quasi vorgestreckt. So konnte es dann an den Einbau gehen.


Das erste Problem ergab sich gleich oben an der Umlenkung. Da ist vorne so eine Stoßkante, gegen den der Schwenkmechanismus gestoßen ist, eine freie Bewegung war nicht möglich. So konnte das nicht bleiben. Zwei der originalen Distanzstücke hintereinander hätten zwar eine freie Bewegung gewährleistet, dann hätte aber die Schraube nicht mehr tief genug in das Gewinde gegriffen. Was also tun? Ich habe das Problem meinem Busteilehändler geschildert und der hatte - pfiffig wie er ist - natürlich eine Lösung parat. Der Sicherungsring vorne auf der Anlasserwelle hat genau denselben Durchmesser wie das Distanzstück, ist aber wesentlich schmäler. Und natürlich hatte er diese Teile da. Gebraucht versteht sich. Und damit habe ich exakt den Abstand gewonnen, den ich brauchte. Problem gelöst.

Neben diesem Schraubpunkt war auch einer für das Gurtende vorhanden.



Und für die Gurtpeitschen.



Zwischenzeitlich hatte dann der rechte hintere Reifen wieder Luft verloren. Bei der Instandsetzung konnte ich dann gleich noch einen gebrauchten Ersatzreifen ergattern, den ich auf die Ersatzfelge montieren ließ, die ich einige Wochen zuvor schon besorgt hatte. Das kann hier nicht schaden.


Das Bild zeigt dann aber auch gleich das nächste Problem. Die Gurtpeitschen für den Becken- und Beifahrergurt waren viel zu kurz. So konnte ich die nicht bis über die Sitzfläche der Doppelsitzbank bringen.
Also wieder zu meinem Busteilehändler, der selbstverständlich gleich die nächste unkonventionelle Lösung parat hatte. Bukra - morgen - könne ich sie abholen. Ja holla die Waldfee. Das nächste Kapitel im Buch mit dem schönen Titel "Dinge, die einem deutschen Prüfingenieur den Schweiß auf die Stirn treiben" ist aufgeschlagen.


           
Was soll ich sagen? Diese Konstruktion hat genau die Höhe geschaffen, die ich gebraucht habe.




Wahrscheinlich stellt sich beim nächsten Bild die Frage, wieso ich die Gurtroller so weit unten montiert habe. Ganz einfach. Ursprünglich waren im T2 ja statische Gurte verbaut, da war also gar kein Gurtroller vorgesehen, entsprechend gibt es hierfür auch keine Schraubpunkte. Die Gurtroller hätten mir vorne neben dem Fahrer- und Beifahrersitz an den Schraubpunkten der Gurtenden viel besser gefallen, da hätte ich aber durch den Gurtstoppmechanismus die Gurte nicht mehr ausrollen können. Also mussten die Gurtroller an die Trennwand. Die ist aber ein nicht tragendes Teil und ganz unten, wo die Trennwand an das Radhaus stößt, ist das Blech zumindest doppellagig.


Die ganze Aktion hat sich über viele Wochen gezogen, ich hatte überhaupt keine Motivation, mich da schnell vorzuarbeiten.
Diese Woche habe ich dann noch den linken Gurtroller verschraubt. Ich hatte fachkundige Hilfe. Hierzulande kann man nicht die Motorhaube aufmachen oder etwas am Auto basteln ohne dass sofort mindestens einer kommt, der helfen möchte und das auch tut. Mehr oder weniger. Eigentklich eher weniger bis gar nicht, aber der gute Wille zählt ja bekanntlich. Diesmal waren die beiden Söhne unseres Bawab aktiv. Ohne entsprechende Sprachkenntnisse ist das gar nicht so einfach. Ich drücke die Schraube von innen rein, der Ältere von beiden drückt sie von außen wieder zurück. Gut gemacht? Nein, Du sollst gegenhalten. Eh? GEGENHALTEN! Schau mal, so! Und wieder drückt er sie raus. Egal. Nach einigem hin und her hat es dann geklappt. Ob er ein guter Mechaniker sei hat er mich gefragt. Ja, bist Du. Und stolz wie Oskar :-). 


Was soll der ganze Blödsinn mit den Gurten jetzt eigentlich? Ich habe sie noch nicht benutzt. Ohne ist es schöner zu fahren. Aber es schließt sich der Kreis und ich komme wieder ganz an den Anfang zurück:

Long live the times when sex was safe and motor racing bloody dangerous...


Wir haben da beide auch eine exakt übereinstimmende Einstellung dazu!

Sonntag, 26. August 2018

In die Outskirts der Wüste

Es gab da zwei Dinge, die mich gedrückt haben: zum einen wollte ich wissen, ob die Arbeiten an der Zündung den gewünschten Erfolg gebracht haben, zum anderen wollte ich am letzen Ferientag nicht faul auf dem Sofa liegen. Es war mal wieder eindeutig Zeit für eine Tour. Zeit war dann auch der limitierende Faktor, denn ich hatte hatte nur einen Tag Zeit. Da es ziemlich langweilig ist, alleine zu fahren, ein zweites Fahrzeug von großem Vorteil ist und man zu zweit einfach Strecken befährt, bei denen man alleine vielleicht etwas vorsichtiger ist, zum Beispiel aus Angst, steckenzubleiben, habe ich meinen altbewährten Mitfahrer mit seinem roten Westfalia angerufen und der hat auch sofort zugesagt.
Super! Und wohin fährt man, wenn es bei einem Tagesausflug bleiben muss? Das ist gar nicht so einfach. Aber das Fayoum, eine Oase gut 100 Kilometer südwestlich von Kairo ist immer ein lohnendes Ziel. Obwohl der rote Westfalia mitsamt Fahrer erst zwei Tage zuvor dort gewesen ist, haben wir uns für dieses Ziel entschieden. Ich war schon seit ein paar Monaten nicht mehr dort gewesen und letztendlich sind diese Kurztrips ja auch Erprobungs- und Erkundungsfahrten mit dem Ziel, die besten Strecken und die schönsten Übernachtungsplätze zu finden. Denn der Sommer geht dem Ende zu und  es kommt die Zeit, in der man auch nachts gut im Bus schlafen kann, ohne gleich mehrere Liter Wasser auszuschwitzen.

Ich habe den Bus immer noch in der Arbeit stehen, verabredet hatten wir uns morgens um acht an der Total-Tankstelle am Anfang der Fayoum Dessert Road. Der Bulli ist auch sofort angesprungen, was schon mal durchaus beruhigend war.
An der Universität vorbei ging es zum Giza Square auf die Haram-Straße zu den Pyramiden. Absolutes Heimatgebiet des T2 und seiner zahlreichen Taxigefährten in der Gegend.

    
Tanken musste ich dann auch noch, das letzte Mal war Ende Juni südlich von Alexandria, das konnte wahrlich nicht schaden. Sprit rein, knapp 30 Liter hat er sich seitdem gegönnt, knapp 200 Pfund bezahlt, das sind knapp 10 Euro und es konnte weitergehen. Dachte ich zumindest, denn nach 10 Metern klopfte  plötzlich jemand an meine Fensterscheibe. Ein Ägypter wies mich darauf hin, dass an der Zapfsäule eine große Benzinpfütze sei und sich eine entsprechende Spur bis an meinen Bus zog. Ja genau, Freundchen, dachte ich mir. Diese Tricks kenne ich aus Italien. Alles Gauner hier. Ich steige aus und Du klaust mir meine Tasche. Aber nicht mit mir! Wo soll denn da Benzin rauslaufen? Blöder geht es ja wohl nicht mehr. Als ich noch so meinen Gedanken nachhing, kam ich dann plötzlich zur Vernunft. Stopp, Du kommst gerade aus Europa, ja, da passiert so was, aber in Ägypten? Nein, der sagt wahrscheinlich echt die Wahrheit. Unterstützend kam noch hinzu, dass der gute Mann sich bereits wieder verdrückt hatte, denn eine Benzinpfütze am Boden lockt hier wahrlich keine Katze hinter dem Ofen vor, auch der Tankwart fand das irgendwie nicht wirklich beunruhigend, obwohl er noch mit einem Fuß drin stand. Malesh, es raucht ja keiner. Wobei ich mir da nicht so sicher wäre.
Ein Blick durch die geöffnete Motorraumklappe hat dann auch gezeigt, dass der gute Saft an der rechten Innenwand entlang auf den rechten hinteren Längsträger gelaufen ist und von dort aus auf den Boden. Es war nass, aber es schien nichts nachzulaufen. Das war ja auch schon mal was, damit konnte ich leben, denn es gab ja ein Tagesziel zu erreichen, ich würde das einfach am Treffpunkt noch einmal kontrollieren, wenn ich dann immer noch Benzin verlor, dann könnte ich immer noch tätig werden. An den Pyramiden vorbei ging es schnellen Reifens an den vereinbarten Treffpunkt.
Eine kurze Kontrolle ergab, dass alles trocken war und nach Rücksprache mit meinem Kompagnon war ich dann endgültig beruhigt, der hatte das selbe Phänomen auch schon zwei mal. "Da weiß man dann, dass voll ist", meinte er.
Hier befüllt man die Tanks ja im Normalfall bis oben das Benzin rausläuft. Traue niemals einer selbstabschaltenden Zapfpistole.  Ich nehme an, dass der Tankwart den Rüssel zu weit herausgezogen hat und etwas daneben vorbeigelaufen ist. Aber das war zu dem Zeitpunkt ohnehin schon wieder Schnee von gestern. Auf ging es auf der Fayoum Dessert Road nach Süden und dann auf der Straße entlang des Qarun Sees nach Westen.


Auf der Fayoum Dessert Road, die autobahnähnlich ausgebaut ist, war das Ganze noch recht chillig, denn spätestens ab dem Punkt, wo die Straße nach Assiut und Oberägypten abgeht, ist da nicht mehr viel los.


Anders auf der Qarun Lake Road. Die Typen fahren da, als hätten sie morgens beim Aufstehen eine SMS erhalten, die ihnen mitteilt, dass sie am Abend um zehn tot umfallen. Alles egal und jetzt noch mal auf's Ganze gehen.Hier ist höchste Fahrkonzentration vonnöten, den das schnellste, wendigste und am besten bremsendste Fahrzeug ist der T2 ganz sicher nicht.
Hier ist alles sehr ländlich und ursprünglich. Und wir haben viele gute Reaktionen auf unsere Busse erhalten. Winken, Daumen hoch, interessiert hinterher schauen. Das hat offensichtlich nicht nur die Damen auf der Ladefläche beeindruckt...


    ... sondern auch die Rindviecher.


Ja, schaut Euch besser noch einmal die schönen Seiten des Lebens an. Wenige Kilometer vorher lag am Seitenstreifen der Autobahn einer von Euren Kumpels. Er war tot und sicher noch nicht lange, denn man hat ihn noch gar nicht von Weitem gerochen. Den Rest machen dann die Sonne und die Vögel.

Die Suche nach dem ersten Stellplatz war gar nicht so einfach. Wir waren auf der Suche nach einer kleinen Stichstraße zum See. Das ist aber gar nicht so einfach wenn man sich nicht auskennt. Wir sind dann einfach auf das separate Seegrundstück der Agrilodge Kom El Dikka gefahren (29.408388, 30.485296). Gut, besonders einladend war das nicht, da war noch so ein Tor, das uns die Einfahrt versperrt hat. Aber da es nicht verschlossen war, hat uns dieser Umstand als ansonsten gute Gäste des Restaurants nicht weiter gestört.


In einiger Entfernung war dann doch noch jemand, das sah aus wie eine kleine Bar wo der saß. Das Schild an der Einfahrt hat auch auf erhältliche Snacks und Getränke verwiesen, sein Pfeifen haben wir aber einfach mal als freundliche Begrüßung interpretiert.
Wer braucht schon Getränke wenn man Selbstversorger ist. Heiß und kalt, Milch und Zucker, Gläser und Tassen, Cola, Schokolade und Weißwein, alles dabei!


Wir saßen da sicher eine Stunde unter einer palmenbedeckten Pergola. Gut, der niedrige Wasserstand des Sees hat nicht unbedingt zu einer guten Luft beigetragen, aber da hat man keinen Einfluss darauf. Das ist ein schönes Fleckchen und es hat sich auch niemand an unserer Anwesenheit gestört. Mach das mal in Deutschland...


Nach dieser ersten Rast waren wir wieder bei ausreichenden Kräften, um die Weiterfahrt in's Wadi Rayan anzutreten. Das ist ein Naturschutzgebiet und Wüste light, in der sich auch das Wadi Hitan, das Tal der Wale befindet. Wer mal in die Gegend kommt, das ist absolut empfehlenswert.


    

Weite Teile des Gebietes sind über geteerte Straßen zu erreichen, aber auch hier muss man aufpassen, denn es kann immer wieder mal zu Sandverwehungen kommen.


Jetzt hat der T2 zwar die ausreichende Höhe für Fahrten abseits befestigter Wege (da kann man fast alles am Unterboden ohne Aufbocken reparieren, das ist echt irre) und auch der Heckantrieb in Kombination mit dem Gewicht des Heckmotors sorgen für Vortrieb abseits der Straßen, aber er ist und bleibt nun mal kein Allradfahrzeug. Außerdem sind die 50 PS natürlich nicht wirklich leistungsstark. Aber, was ich sagen möchte ist, dass man dennoch im Sand (vorausgesetzt er ist nicht zu tief und nicht zu weich) ganz gut vorankommt. Dünen würde ich jetzt nicht fahren, aber wir waren auch noch nicht an der Grenze des Zumutbaren.
Wir haben uns erst mal langsam an die Sache herangetastet und haben versucht, auf der Piste zu bleiben. Wir hatten ein klares Ziel vor Augen und wollten sehen, ob die Busse es bis dorthin schaffen. Dazu später aber mehr.


Erst einmal mussten kürzere sandige Abschnitte überwunden werden. Das war kein Problem. Und schon waren wir an der ersten Panoramastelle angekommen.



Runter geht ja bekanntlich immer einfacher als rauf. Wir sind dann auch versetzt gefahren, es müssen sich ja nicht unbedingt gleich beide festfahren.


Was soll ich sagen? Es war gar kein Problem. Hierbei ist dann auch das folgende Video entstanden. Seht selbst:


So weit so gut. Jetzt konnten wir unser nächstes Ziel in Angriff nehmen. Off-Piste möglichst nahe an die Dünen vorne rechts im Bild ran war der Plan.


Allerdings wurde es dort dann schon auch recht weich. In altbewährter Aufgabenteilung ist der Westfalia als Spähfahrzeug voraus. Ausgemacht war, dass ich auf ein Zeichen nachkomme, wenn das machbar ist, was ich dann glücklicherweise auch tun konnte.


Entstanden sind dann echt tolle Bilder, die an längst vergangene Zeiten erinnern. So ein Bus kann echte Lebensqualität schaffen, man muss es nur zulassen.





Den Standort dieser Dünen kann man sich ganz leicht merken, denn sie befinden sich in unmittelbarer Nähe des Ras El Helal Camps (29.212507,30.405232). Von hier aus hat man eine beeindruckende Aussicht auf den Lower Lake. Und übernachten könnte man dort auch wenn man wollte. Das klingt schon mal sehr gut!


Absolut vertrauenerweckend finde ich auch, dass man hier offenbar auf Nummer sicher geht. Im Falle eines sprungartigen Anstiegs des Seespiegels um mehr als 100 Meter muss man hier nicht ertrinken, sondern kann sicher mit dem Boot an das rettende Ufer paddeln.



Das Camp ist urgemütlich. Falls unangemeldeter Besuch kommt, der essen möchte, habe ich mir sagen lassen, dass der Besitzer folgendes Vorgehen an den Tag legt: Zunächst einmal führt er eine Reihe von Telefonaten durch bevor er sich auf sein Motorrad schwingt, in Kamikazemanier die Dünen und den Abhang an den See offroad runterbrettert, um kurz darauf mit Siegermiene und einem Fisch in der Hand wieder am Camp aufzuschlagen. Dann folgt eine zeitintensive Grilleinlage bevor man abschließend wohl einen wirklich leckeren gegrillten Fisch bekommt.

   
Leider blieb es diesmal bei den Telefonaten, gefolgt von einem Malesh (auf deutsch: leider habe ich heute keinen Fisch für Dich). Also beließen wir es bei Beduinentee und kaltem Wasser. So mussten wir wenigstens nicht die Toilette rechts vom grünen Bus besuchen.


Woher ich weiß, dass das die Toilette ist? Ich habe sie trotzdem besucht. Aber nur ganz kurz ;-).

Wir waren entspannt, das Problem Stillung des Hungers jedoch noch lange nicht gelöst. Also sind wir zurück Richtung Tunis. Dort wollten wir eigentlich tanken, aber es gab kein Benzin mehr. Nur noch 80 Oktan verbleit Wassermix mit Altölbeimischung und Zweitakttauglichkeit. Das wollten wir den Bussen nicht antun.
Und satt wird man davon auch nicht. Aber wir dachten uns, es wäre eigentlich nur fair, in das Kom El Dikka zu gehen, wenn wir schon dessen Infrastruktur vormittags so großzügig nutzen konnten.


Das Kom El Dikka ist eine Agrilogde, also Bio und Öko und so ein Zeug. Und das heißt hierzulande Slow Food. Jetzt muss man aber wissen, dass regular food in Ägypten eigentlich schon Slow Food ist, also ist Slow Food eigentlich Slug Food ... es hat gedauert und gedauert, bis unser wirklich köstliches Essen endlich kam und hat unseren gesamten Zeitplan durcheinander gebracht. Wir wollten spätestens um 16.00 Uhr los, dass wir wenigstens noch den Hauch einer Chance gehabt hätten, vor Anbruch der Dunkelheit die Stadtgrenze zu erreichen.
Los gekommen sind wir dann um 17.00 Uhr. Und wir erinnern uns, die Straße, die dem Vorhof der Hölle gleicht, lag vor uns. Es schien als hätten die Menschen dort eine weitere SMS erhalten: Fehlinformation, Ihr fallt schon um 20.00 Uhr tot um. Jetzt mal yalla yalla, gebt alles.
Wir sind ja an den Verkehr längst gewöhnt, aber im T2 ist das alles nochmal etwas ganz anderes. Was im normalen Auto problemlos machbar ist, führt im T2 -zumindest bei mir- zu Schweißausbrüchen.
Und man muss immer mit allem rechnen (auch auf der Autobahn): tiefe Löcher, große Steine auf der Fahrbahn, 20-30 Zentimeter hohe Verwerfungen und tiefe Rinnen, unbeleuchtete Tuktuks, unbeleuchtete Motorräder, unbeleuchtete Motorräder, die einem entgegen komme, unbeleuchtete Motorräder, die 2 Meter lange Stangen transportieren  (quer versteht sich!) und so weiter. Bei Tageslicht ist das alles noch halbwegs handlebar, nachts erfordern die Verkehrsverhältnisse ein schier nicht leistbares Maß an Konzentration. Aber wir sind ja erfahren und so sind wir wieder gut in Kairo angekommen.
Fazit: Das Fayoum ist von Kairo aus für einen Tag auch mit dem T2 gut machbar, aber gerade bei der Hitze relativ anstrengend und es sitzt einem ständig die Zeit im Nacken. Aber es war ein toller Tag!