Montag, 11. März 2019

Mit vier laufenden Zylindern an den Suezkanal nach Ismailia, mit drei zurück nach Kairo und mit null in die Arbeit

Es gibt nicht so viele Ziele, die man von Kairo aus in einer Tagestour ansteuern kann. Ismailia am Suezkanal ist eines davon und da ging es am Samstag hin. Eigentlich kommt man normalerweise nicht wirklich auf die Idee, Ismailia anzusteuern, als Tourist schon gleich gar nicht. Ich wäre da auch nicht darauf gekommen, würde nicht der Mann der Cousine von Nuris Frau (irgendwie so) dort ein idyllisch am Timsahsee gelegenes Cafe und eine Burgerbar betreiben. Und der Besuch hat sich sowas von gelohnt, dass ich erwäge, das ein oder andere Wochenende dort zu verbringen. 
Jetzt aber erst einmal der Reihe nach. Es ging morgens um 9.00 Uhr los. Die ersten Kilometer der Cairo-Ismailia Desert Road waren bestens bekannt, befindet sich doch bei Kilometer 22 die Partnerschule meiner alten Schule, mit der ich damals einen Schüleraustausch initiiert hatte.

  
Der Hinweg verlief ganz ruhig, es war zwar noch eine Straße alten Stils, sprich ohne getrennte LKW-Spur und mit vielen unvorhersehbaren Fahrmanövern, aber es gab wenig Verkehr und so war das alles ziemlich entspannt und ohne besondere Vorkommnisse. 

  
Die Einfahrt nach Ismailia verlief auch ganz smooth, ich hatte diesmal extra meinen Dienstpass mitgenommen, denn man ist hier immer etwas nervös wenn sich Ausländer in Gegenden aufhalten, in denen sie sich normalerweise nicht aufhalten. Es hat sich niemand für uns interessiert, wir wurden einfach durchgewunken.
Es fiel sofort auf, dass alles viel sauberer, ordentlicher und entspannter ist, als man das von Kairo gewohnt ist. 

 
Der Laden war einfach zu finden, ebenso einfach war es, einen Parkplatz direkt am See anzusteuern.



Wir haben uns dann erst einmal direkt am Ufer einen Burger gegönnt, der auch wirklich lecker war und die Aussicht bei strahlendem Sonnenschein, blauem Himmel, frischer Luft und 23 Grad genossen.



Der Timsahsee ist ein Salzwassersee und wurde im Zuge des Baus des Suezkanals angelegt. Er liegt direkt am Kanal, wenn man genau aufpasst, kann man sogar die Schiffe erkennen, wenn sie vorbeifahren. Sie müssen aber groß sein, sonst sieht man sie nicht. 

 
Für diese Aufnahme habe ich sofort einen Rüffel bekommen. Das Fotografieren von Verkehrsinfrastruktur ist in Ägypten generell verboten, zudem ist Ismailia fest in der Hand des Militärs - zurecht wie wir später noch feststellen sollten.
Der weitere Plan des Tages war, mit der Fähre über den Suezkanal zum Kriegsdenkmal der Schlacht von Ismailia zu fahren. Das soll sehr idyllisch und schön gelegen sein, da soll es auch so etwas wie einen kleinen Wald geben. Und das in Ägypten. 


Der Fähranleger war schnell gefunden. Weit kamen wir aber nicht, denn wir hatten da eine ganz grundlegende Sache in diesem Moment nicht auf dem Schirm, nämlich dass für Teile Ägyptens immer noch eine berechtigte Reisewarnung besteht und wir auf dem besten Weg dazu waren, in den Nordsinai einzureisen, auf den sich die Reisewarnung bezieht.


 

Der Fähranleger war streng vom Militär bewacht und so wurden wir sehr freundlich, aber auch sehr bestimmt von einem jungen Offizier darauf hingewiesen, dass wir auf der anderen Seite leider gar nichts verloren haben und er uns aus diesem Grund die Weiterfahrt untersagen müsse. Auf unsere Frage nach den Gründen lautete die kurze Antwort einfach nur: "Terrorismus". 
Ich bin der Meinung, dass wir hätten gefahrlos auf die andere Seite fahren können, aber es kommt wohl gar nicht so selten vor, dass Ausländer über das ägyptische Festland in den Nordsinai einreisen, um sich dort dem IS oder Al Kaida anzuschließen. Davon sind wir zwar weit entfernt, aber das wissen die ja nicht. 
Ich möchte das aber nicht kleinreden, der Nordsinai ist eine absolute no-go-Zone. Das Militär kämpft dort seit Jahren gegen verschiedenste radikal-islamistische Gruppierungen und das, was sich dort abspielt, hat phasenweise schon bürgerkriegsähnliche Züge -  es ist dort wirklich gefährlich. 
So blieb uns nichts anderes übrig als den Rückweg anzutreten. Und wie wir uns verabschiedet haben - mit plötzlich auftretenden Fehlzündungen und einem Auto, das kaum mehr von der Stelle kam. 
Wir haben die Szenerie erst einmal so gut es ging (und es ging nicht gut) verlassen, um in sicherer Entfernung (dachten wir, in der Tat hatte man uns aber weiterhin deutlich im Visier) mal die Motorraumklappe zu heben. Das klang alles ziemlich eindeutig nach Zündung, ich konnte aber keinen Defekt erkennen. Also habe ich mal die Zündkabel kontrolliert und neu gesteckt, alles mit mäßigem Erfolg. Erst ging es gut, dann trat es wieder auf. Aber es half ja nichts, wir sollten ja nach Kairo zurück. 
Der Bus ruckelte furchtbar im unteren Drehzahlbereich, verschluckte sich und hatte Fehlzündungen. Bei steigender Drehzahl wurden diese Symptome deutlich besser. Ich konnte mir bis dato noch keinen wirklichen Reim darauf machen, bin aber auch nicht zu tief in die Materie eingestiegen. Die Lösung sollte aber später am Tag noch kommen - ein Fehler, auf den man ehrlich gesagt auch nicht sofort kommt. 

Es ist nicht einfach, das Verkehrsgeschehen auf Video festzuhalten. Ich habe es versucht, aber es ist mir nicht wirklich geglückt. 




Der Rückweg war ziemlich anstrengend, alleine auf der Cairo-Ismailia Desert Road hatten wir an die 15 Situationen, die jeweils auch ganz leicht in einem unschönen Unfall hätten enden können. Hinzu kam, dass der Bus zwar augenscheinlich ganz gut lief, aber halt nur auf drei Zylindern. Das reicht nicht ganz und war vor allem bei der Einfahrt in die Stadt und dem in Mohandessin unvermeidbaren Stau echt nervig. Die Zahl der Fehlzündungen nahm zu und der Motor nahm im unteren Drehzahlbereich nur noch bei voll gedrückter Pedalstellung Gas an. Da musste etwas passieren. Also bin ich auf dem Rückweg hustend und krachend bei meinem Teilehändler vorbeigefahren. Und da war der Fehler gemeinsam dann auch relativ schnell gefunden: zwei der Nocken auf der Verteilerwelle waren so abgenutzt, dass der Unterbrecher nur noch bei der dritten halbwegs geöffnet hat. Das reicht natürlich nicht. Wie das hier so üblich war, kam auch gleich jemand zu Hilfe. Den kannte ich schon, der sitzt den ganzen Tag in seinem VW Käfer und wartet darauf, dass jemand Hilfe dabei braucht, wenn ein Teil eingebaut werden soll, das bei meinem Händler gekauft wurde. So richtig begeistert war ich nicht, hatte ich ihn doch mal dabei beobachtet, wie er mitten im Sand einen Boxermotor mit einfachsten Mitteln zerlegt und wieder zusammengebaut hat. Das Öl floss am Boden und den Sand an den Kolben entfernte er mit Benzin. Gruselig. Aber hier konnte er ja nicht viel falsch machen. Dachte ich. Und so war der neue Verteiler auch gleich eingebaut.

               
Ich bin immer noch nicht wieder ganz auf der Reihe angesichts des Werkzeugs, das er da verwendet hat. Einen Schraubenzieher. Klar. Einen 10er/13er Gabelschlüssel, bei dem der 13er aber abgebrochen war. Da ist er mit der Zange ran, um den Verteiler bei laufendem Motor mit dem verbleibenden 10er festzuschrauben.

   
Auf den ersten Blick funktionierte das alles ganz gut. Er zog wieder (ganz ordentlich, aber noch nicht zu 100%) und lief wieder. Jedoch waren der Kondensator und der Unterbrecher relativ alt. Auch fiel mir auf, dass der Verteiler anders saß als zuvor. Ich hatte aber wenig Antrieb, mich da akut noch tiefer damit auseinanderzusetzen.
Am nächsten Morgen wollte ich dann ausprobieren, von welchem Erfolg die Arbeiten gekrönt waren. Also habe ich den Bus kurzerhand mit in die Arbeit genommen. 
Bereits nach 200 Metern war klar, dass sich die Symptome nicht wirklich gebessert hatten. Nach 2 Kilometern war dann nach viel Geruckel und zwei ordentlichen, finalen Fehlzündungen Schluss. Ich stand auf der viel befahrenen Dokki-Straße auf der linken Spur und es ging gar nichts mehr. Der Motor sprang nicht mehr an, da half alles orgeln nichts. 
So stand ich da, der Schule fast direkt gegenüber, aber durch die Straßenführung wäre nochmals ein guter Kilometer zu bewältigen gewesen. Und schon kam der erste Polizist an: Du stehst hier nicht gut. Du musst da weg. 
Ja ne, ich stehe hier nicht freiwillig, das Auto ist kaputt. So viel konnte ich noch hinbekommen, für den Rest habe ich dann das erste Übersetzungstelefonat mit meiner Assistentin geführt. Was für ein Service. Ja, ich muss da weg, der Polizist hilft mir. Und so haben wir den Bus über drei Fahrspuren einmal wuer über die Straße geschoben. Das war wenig lustig, ehrlich gesagt habe ich Blut und Wasser geschwitzt, denn das interessiert hier mal herzlich überhaupt niemanden, ob da ein Polizist steht und die Autos zum Anhalten animiert. Die fahren einfach mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Links und rechts um den Bus herum. Hupenderweise wohlbemerkt, denn wir sollten ja wissen, dass wir sie stören. 

       
Aber wir haben den Wagen auf die andere Straßenseite bekommen. Der Polizist zog von dannen, 5 Minuten später kam der nächste. Du stehst da nicht gut, Du musst weg. Ja, würde ich ja gerne, aber das geht nicht. Aber alles im grünen Bereich, die Buswerkstatt weiß schon Bescheid, die kommen gleich vorbei. Okay. 
Fünf Minuten später kam dann ein Abschleppwagen der Polizei. Ein Polizist stieg aus, nahm eine Parkkralle von der Ladefläche und begann, das Ding in aller Seelenruhe an meinem Hinterreifen zu montieren. Ja Moment, ich bin ja auch noch da. So geht das nicht. Doch, Dein Auto stehe schlecht und das geht so nicht. Ich stehe hier aber nicht freiwillig. Da musste der Chef ran. Glücklicherweise klingelte genau in diesem Moment das Telefon, die Koordinatorin der Buswerkstatt war dran und gab Entwarnung. Das Mechanikerteam asei bereits auf dem Weg zu mir, die müssten gleich da sein. Ich habe die Gelegenheit gleich genutzt, und mein Telefon dem ranghöchsten Polizisten in die Hand gedrückt, der im Abschleppwagen saß. Er hatte einen Stern auf der Schulter, die sind in der Regel ganz gut drauf. Er hat zugehört und als ich das Wörtchen "tayeb" hörte, wusste ich, dass er sich überzeugen ließ. 


Plötzlich sprangen noch drei weitere Polizisten aus dem Wagen (wieviele passen da eigentlich rein?) und parkten den Wagen mit vereinten Kräften in die eben freiwerdende Lücke ein. Glück muss man haben. So konnte er dann auch stehenbleiben.

        
Musste er aber nicht, denn just als die Polizei weg war, kam auch schon unser Werkstattmeister mit einem Mechaniker und einem Fahrer an. Das war ein regelrechtes Hallo, nach entsprechender Begrüßung und Sondierung der Lage sagte er nur: "Muftach" (Schlüssel), "Rochsa" (Fahrzeugschein) und "Tschuss". Um den Rest kümmerten die sich, der Fahrer bringt mich in die Schule.

    
Das ist echt ein toller Service, dass wir in Notfällen die Buswerkstatt in Anspruch nehmen können - und das war ein klarer Notfall. Mittags war der Wagen fertig und wieder fahrbereit. Der Verteiler wurde nicht korrekt eingebaut (mir ist auch aufgefallen, dass der ein bisschen gehoppelt ist), außerdem waren sowohl der Kondensator als auch der Unterbrecher kurz vor knapp. Jetzt kann es auf die nächste Reise gehen. Inshallah.