Donnerstag, 29. August 2013

Einmal Afrika und zurück - Tunesien 2013

Eigentlich wollten wir ja nochmal nach Ägypten - angesichts der aktuellen Situation hätte man diese Reise aber intensiver planen müssen als ich das wollte und so haben wir das verschoben. Ein alternatives Reiseziel musste gefunden werden. Der Balkan mit Albanien war in der Überlegung, ebenso die Türkei.  Beide Regionen haben wir schon bereist, die Letztere sogar relativ intensiv. Irgendwie kam mir dann die Idee, einen Teil der "Restschuld" von 2009 zu begleichen als wir am Libyentransit gescheitert sind und somit auch Tunesien entfallen musste. Und dann ging es ganz schnell: Auto zugelassen, Fähre gebucht und Etappenziele festgelegt. Nachdem das erledigt war ging es auch in Tunesien nach der Ermordung des Oppositionspolitikers Brahmi mit neuen Protesten los. Also mussten wir doch die Lage beobachten und gegebenenfalls darauf reagieren. Gefahren sind wir dann trotzdem, es gab in unseren Augen keinen Grund, dies nicht zu tun.
Also ging es am 15.8. nachts um elf los in Richtung Genua. Wie so üblich und wie wir das gewohnt sind war die Einschiffung in Italien eine absolute Katastrophe: unorganisiert, chaotisch und langwierig. Die Fähre war aber auch relativ voll, dementsprechend platzeffektiv wurde geparkt.

  
Die Überfahrt verlief ohne Probleme und trotz vierstündiger Verspätung bei der Abfahrt sind wir rechtzeitig angekommen. Bereits vor dem Anlegen in Tunis hatte ich angesichts der ganzen Formulare, die ausgefüllt werden mussten schon so meine leichten Bedenken wie das mit der Einreise wohl werden würde.


 Die Bedenken waren absolut unbegründet, so schnell bin ich selten in ein arabisches Land eingereist. Im Gegensatz zu Italien war das alles echt gut organisiert mit mehreren Fahrstreifen. Ganz anders als erwartet waren Polizei und Zoll nett, freundlich, ehrlich und nicht korrupt. Ruckzuck, zackzack und alle Stempel waren im Pass. Einen hatte ich vergessen, auch kein Problem, mir wurde genau erklärt wohin ich zu gehen hatte. "Ahlen wa sahlen" und wir waren drin.
Die ersten beiden Tage wollten wir in Tunis verbringen. Und die überraschende Erkenntnis war: man kann hier kommunizieren. Also ich nicht aber meine Frau, die des Französischen mächtig ist. Wir haben das Hotel nicht gleich gefunden, also wurde eine Polizistin gefragt und dann kannten wir den Weg. Nichts mehr mit schlechten Google Maps Ausdrucken, Hand und Fuß, arabisch und halbenglisch.
Tunis ist eine sehr schöne Stadt, von Unruhen war nichts zu spüren, ganz im Gegenteil, die Menschen waren sehr freundlich und entspannt. Am Platz der Märtyrer des 14. Januar 2011 und in der Habib Bourguiba sind zentrale Bereiche mit Barrieren und Stacheldraht abgesperrt, ebenso ist die Polizeipräsenz im Gegensatz zum restlichen Land deutlich erhöht aber das wars dann auch schon. Wir haben dort mehrere Male Kaffee getrunken, zu Abend gegessen etc.

 


Tunis ist eine schöne Stadt, deutlich kolonial geprägt mit einer bezaubernden Medina und einem ganz netten, wenn auch teilweise etwas touristisch geprägtem Suq. Diese Bereiche haben wir schnell durchschritten ...





Wie so üblich habe ich meinen dringend notwendigen Friseurbesuch auf Tunis verschoben. Als der erledigt war (wir waren da fast ne Stunde drin, haben noch ein Pläuschchen gehalten) konnte es weitergehen zum nächsten Ziel: Kairouan.



Wenn man den Küstenbereich verlässt, wird die Landschaft zunehmend steppen- und wüstenartiger, der Einfluss des Regens lässt sichtlich nach.


Kairouan, die heilige Stadt, verfügt über die ältesten Moscheen des Landes, seit der Revolution 2011 gilt sie zudem als Hochburg der Salafisten. Die Stadt ist sehr schön, irgendetwas war da aber, das mich etwas in Hab-Acht-Stellung versetzt hat, ich kann aber nicht sagen was es war. Trotzdem haben wir den Aufenthalt genossen.

 





Bislang war mir Tunesien fast etwas zu unorientalisch, zu geordnet, der Straßenverkehr ist weitaus weniger chaotisch und lustig als ich das aus anderen Ländern der Region kenne. Je weiter man aber in das Land vordringt, so besser wird das und in Kairouan konnten wir bereits einen ersten Eindruck dahingehend gewinnen, was uns die kommenden Tage erwarten sollte. Etwas abseits der ausgetretenen Touristenpfade im Marktbereich sieht die ganze Sache schon wesentlich besser aus ;-).



Hier hatten wir dann auch etwas Kontakt mit Einheimischen. Wie gesagt, je weiter man in das Land vordringt, um so orientalischer wird es auch. An den Straßenrändern kann man beobachten wie Hammel an Strommasten festgebunden, geschächtet und anschließend ihres Fells beraubt werden. Dieses wird als Zeichen, dass es gegrillten Hammel gibt und dieser auch frisch ist nahe des Drehgrills aufgehängt. Sieht lustig aus.


Spannend sind auch diese, zahlreich vertretenen "Tankstellen" der Freiluftart, das Benzin wird in rauhen Mengen in mehr oder weniger starken Plastikkanistern direkt an der "Zapfsäule" gelagert. Wahrscheinlich kommt das über dunkle Kanäle aus Algerien oder Libyen. Apropos Algerien, die Zigaretten, die in den Geschäften verkauft werden, kommen auch alle aus Algerien und tragen keine Steuermarke ...


An dieser Stelle waren wir bereits mitten auf dem Weg nach Tozeur, dem Tor zur Sahara. Bei der Ausfahrt aus Kairouan ist ein Taxi hupend neben uns hergefahren. Der Fahrer und sein Fahrgast haben beide den Daumen nach oben gehalten und auf unser Auto gedeutet. Die wissen halt, was gut ist ... ;-).

Die Landschaft auf dem Weg nach Tozeur war sehr abwechslungsreich und interessant. Mit zunehmender Nähe zur Stadt wurde auch ganz deutlich, dass wir uns der Wüste nähern.




In der Oase Tozeur sind wir dann nach Ankunft im Hotel erst einmal in Richtung Innenstadt gefahren. Auch hier habe ich unser Auto einfach irgendwo am Straßenrand abgestellt ohne ein schlechtes Gefühl zu haben.


Überhaupt macht das Land einen sehr guten Eindruck, was Sicherheit und auch die Menschen anbelangt. Letztere sind sehr fein, freundlich und offen, die Schlitzohrmentalität scheint wesentlich geringer ausgeprägt als in anderen arabischen Ländern. So waren wir ganz schnell in Begleitung eines "neuen Freundes", der uns durch die Medina von Tozeur geführt hat. Der war sehr nett, ohne ihn hätten wir wahrscheinlich maximal fünf Prozent gesehen und anschließend hat er nicht einmal Geld gefordert und war mit dem zufrieden, das ich ihm gegeben habe.

 



Am folgenden Tag war es dann an der Zeit für eines meiner ganz persönlichen Highlights der Reise. Ich wollte mit dem Syncro in die Sahara. Um das alles etwas entspannter und weniger risikoreich zu gestalten haben wir uns einen einheimischen Führer samt Begleitfahrzeug organisert. Der war angesichts meiner alten Familienkutsche zunächst sehr skeptisch. Dass wir nach Verlassen der Straße und der Einfahrt in tiefsandiges Gelände bereits nach 20 Metern feststeckten, hat seine Skepsis nicht verbessert.




Also hat er mich die ersten zwei Kilometer erst einmal in Schlepp genommen. Das Zauberwort hieß aber Differentialsperren. Nachdem die gezogen waren, war ich auf diese fremde Hilfe nicht mehr angewiesen. Das hat er auch bemerkt und langsam begonnen, sichtlich Spaß an der ganzen Aktion zu finden.
So haben wir uns langsam an die Leistungsfähigkeit des Syncro herangetastet, sind mehrere kleinere und mitttlere Dünen sowie Rampen rauf und runter, immer wieder durch tiefsandiges Terrain und nach jeder schwierigen Passage kam der hochgestreckte Daumen von vorne aus dem Fahrerfenster des Jeep.



Kleinere Schäden blieben natürlich auch nicht aus  ;-).



Irgendwann hat dann der Führer gemeint, ich soll mal mit seinem Jeep fahren um zu sehen, was es da für Unterschiede gibt. Habe ich gemacht und ich habe sie gesehen ...





Nach dem Besuch eines Berbercamps haben wir direkt Kurs auf die große Düne genommen, natürlich nicht, ohne uns vorher wieder vorsichtig an die Grenzen des Syncro heranzutasten. Die haben wir dann auch erreicht und entschieden, dass er die große Düne nicht befahren wird: er war bis zum Auspuff im Sand.

  
Die wäre aber auch steil gewesen, da hatte der Jeep schon so seine Probleme und musste trotz guter Untersetzung zwei Anläufe nehmen um die zu erklimmen. Von dem her war ich gar nicht so traurig ...



An dieser Stelle waren wir dann ziemlich nahe an der algerischen Grenze, sollten aber noch wesentlich näher ranfahren. Nächster Stopp war Tantooine, die Filmkulisse von Star Wars. Ich kann mit Science Fiction nicht viel anfangen, interessant war es aber trotzdem.



Anschließend ging es wieder durch einige Sandpassagen und durch die Wüste in die Oase Nefta, wo ich mir ein paar Schrauben gekauft habe um die abgerissene Stoßstange wieder zu befestigen. Die Oase selbst haben wir natürlich auch besichtigt, sie gleicht von der Architektur her sehr Tozeur.



Als Bonus sind wir dann noch 15 Kilometer weiter Richtung Algerien in die Nähe der Dune des Sables. Hier darf man aber nicht weiterfahren, sondern muss ein Kamel nehmen. Das wollten wir nicht und so haben wir uns damit begnügt, die Tiere aus der Nähe anzusehen.


Nun hieß es langsam auch Abschied nehmen, nicht jedoch bevor die Telefonnummer ausgetauscht waren. Ich möchte noch einmal dorthin fahren und der Führer war super !


Die letzten Tage standen dann eher im Zeichen der Erholung. Wir nahmen Kurs direkt auf Hammamet, wo wir ein ganz nettes Hotel gebucht hatten. Vorher mussten die 500 Kilometer zurück jedoch erst einmal bewältigt werden. Wir haben immer wieder mal gehalten um uns unters einheimische Volk zu mischen und nen Kaffee zu trinken. Irgendwann hatten wir dann mal Hunger und haben in diesem "Restaurant", "Imbiss" oder was es auch immer war, gehalten.


Der war urig, die Speisen wurden alle ausschließlich mit den Fingern zubereitet und währenddessen wurde die Decke mit Ölfarbe gestrichen, eventuelle Tropfen wurden als normaler Ausschuss betrachtet. Cool !

Beim Hotel in Hammamet bin ich nach wie vor gespalten. Es war sehr schön aber so ein typisches TUI- und Neckermann-Kooperationshotel. Sprich: es gab viele Deutsche und das ist jetzt nicht so direkt das Klientel, das ich gerne auf meinen Reisen treffe. Nun gut, ich will mich nicht beschweren, ich habe das weitestgehend ignoriert und der Service war top. Mit dem ober habe ich auch gleich eine arab Übereinstimmung gefunden, was die Menge und das Bezahlen der Getränke anbelangt. Passt !


Strand und Pool sind ja jetzt auch nicht so unbedingt unser Ding, also schon, aber nicht wenn man sich diese Bereiche mit 500 anderen Touristen teilt und so sind wir immer wieder mal in die nähere Umgebung gefahren. So zum Beispiel in das Zentrum von Hammamet, das sehr sehenswert, wenn auch sehr touristisch geprägt ist.




Oder ins nahegelegene Nabeul, das sich wesentlich weniger dem Tourismus untergeordnet hat als Hammamet.


Und dann war es leider auch schon wieder an der Zeit, Abschied zu nehmen. Die Einschiffung in Tunis war im Vergleich zu Genau fast schon deutsch organisiert, straff und durchsichtig. Die Behörden erneut sehr korrekt, freundlich und hilfsbereit. Und das, obwohl die in absoluter Alarmstellung sind angesichts der vielen Flüchtlinge aus Nord- und Zentralafrika, für die ein Schiff diesen gewaltigen Ausmaßes natürlich das Tor in die ersehnte europäische Wunschheimat darstellt. Ein Tunesier, mit dem wir uns auf dem Schiff unterhalten haben hat gemeint, dass dort kürzlich über 50 blinde Passagiere aus allen Ecken und Enden der Fähre gefischt wurden.
Die Fähre selbst war brechend voll, es hat sechs Stunden gedauert bis die 2000 (!) Fahrzeuge verladen waren. Wir sind mit als erste rein und dann natürlich in Genua mit als letzte wieder raus. Das Entladen hat immerhin auch zwei Stunden gedauert. Wir haben uns das Schauspiel von Deck aus angesehen.

Wir waren schon etwas traurig, dass es vorbei war, Tunesien aber auch und hat sich mit Gewitter und Sturmböen verabschiedet ...



 
Eines ist sicher: das war nicht unsere letzte Reise nach Tunesien ! Inshallah !