Donnerstag, 24. Mai 2018

Freitag Vormittag ist die beste Zeit zum Autofahren

Freitag Vormittag ist die beste Zeit zum Autofahren, da kann man nämlich annähernd so fahren wie man das aus Deutschland kennt. Vor dem Freitagsgebet liegen die meisten Ägypter in ihren Betten, was das Chaos auf den Straßen auf ein Minimum reduziert. Auch morgen gehe ich wieder auf die Piste. Aufgrund des Ramadan gehe ich davon aus, dass da kaum jemand auf der Straße sein wird. Schauen wir mal.
Die Weltgesundheitsmafia aka WHO berichtet ja gerne mal so manche Halbwahrheiten. Vergangene Woche veröffentlichte sie einen Bericht, demzufolge Kairo den zweiten Platz aller Städte weltweit mit der höchsten Luftverschmutzung belegt. Bei der Deutschen Welle belegt Kairo immerhin Platz sechs, der Österreichische Kurier platziert die Stadt auf dem vierten Rang, die Seriosität der Recherche relativiert sich aber schon in der ersten Zeile, in der die Einwohnerzahl mit 9 Millionen angegeben wird. Die Frage, was da jetzt stimmt oder nicht lässt zwar tief in die europäische Medienberichterstattung blicken, ist aber eigentlich auch gar nicht so wichtig, denn eines ist klar: die Luft in Kairo ist schlecht. Richtig schlecht. Der Körper gewöhnt sich irgendwann daran, zumindest fällt es einem irgendwann nicht mehr auf, welchen Dreck man da tagtäglich einatmet. Anders ist das mit stehendem Material. Wenn das Auto drei Tage steht, bringt man den Schmutz aus der Luft gerade noch so mit der Scheibenwaschanlage weg, nach einer Woche kann man bereits nicht mehr durch die Scheiben schauen. Und das obwohl der Bus in einer Garage steht. Da darf man ruhig mal grimmig schauen.


Es ist also Freitag, der Buli ist schmutzig, die nächste Waschanlage aber glücklicherweise nicht weit entfernt. Obwohl ich da kaum tanke, kannten die Jungs mich und wussten, dass ich Deutscher bin. Der Flurfunk im Viertel funktioniert also. Habe ich Waschanlage gesagt? Das ist was für Europäer, hier ist noch Handarbeit angesagt.


Erst einmal gibt es eine ordentliche Dusche mit dem Hochdruckreiniger. Dass der gute Mann auf die Stoßstangen steigt, um an das Dach zu kommen darf man nicht so eng sehen.
Was danach folgt ist mein absoluter Lieblingsteil.


Der Wagen wird erst einmal ganz ordentlich eingeseift, und zwar mithilfe eines Schlauchs, aus dem direkt der Schaum rauskommt.


               
Am Ende sieht das Ganze dann aus wie eine große Sahnetorte.


Anschließend wird der Schaum mit einem alten Handtuch in den Lack massiert und zum Abschluss wieder mit dem Hochdruckreiniger entfernt. Das Handtuch wird dann ausgewrungen, bevor es letztendlich als Trockentuch fungiert. Damit kann man dann auch gleich die ganzen Wasserpfützen im Innenraum entfernen, denn Dichtungen tun hier alles außer abdichten. Bei 35 Grad morgens um zehn an einem milden Maitag kann man sich zumindest das Trocknen sparen. Das ganze Procedere dauert gut 20 Minuten und kostet 1,40 Euro.
Wo fährt man jetzt hin, wenn man zum Freitagsgebet bevor sich die Straßen füllen wieder daheim sein möchte? Der T2 sollte an diesem Tag dahin, wo er daheim ist. Nach Haram, wo tausende seiner Freunde ihr Dasein als Taxi fristen. Ich habe dem ein oder anderen der vielen Kollegen gewunken, aber irgendwie kamen da nur leicht konsternierte Blicke zurück. Ein Buli, der nicht weiß ist und in dem noch dazu ein Ausländer sitzt ist etwas, das wohl eher ungewöhnlich ist. Das sollte ich aber bald noch genauer erfahren. Die VW-Busse dürfen ausschließlich in Giza fahren, grob gesagt zwischen der Shera Gamma, Haram und King Faysal. Letztere beiden führen direkt zu den...

 
Das war dann auch das Ziel des heutigen Tages, genauer gesagt, das Mena House Hotel mit atemberaubendem Blick auf die Pyramiden. Hier schmeckt der Kaffee noch einmal besonders gut. Bevor wir diesen aber genießen konnten, gab es noch eine kleine interkulturelle Lektion.
An der Zufahrt zu den Pyramiden ist ein Checkpoint der Polizei. Als ich da mit meinem Bus angeklingelt kam, haben die Polizisten gleich mit erhoben Armen abgewunken, Taxis sind da nicht erlaubt. Aber Moment, das ist ja gar kein Taxi und da sitzt ein Ausländer drin, was ist das denn? Erste Frage: woher kommst Du denn? Ich: aus Giza. Ok, Giza. Wie jetzt, Giza? Nein, woher kommst Du wirklich? Aus Deutschland! Das fand er dann schon schlüssiger, obwohl das ja eigent.,ich streng genommen so nicht stimmt. Nächste Frage: und das Auto? Ist meines! Wie, Deines? Hast Du das aus Deutschland mitgebracht? Nein! Woher kommt das denn? Aus Ägypten! Wie, Ägypten? Gib mir mal Deine Papiere! Also die Rochsa (ägyptische Zulassung) und den ägyptischen Führerschein aus dem Fenster gereicht. Der Polizist liest vor. Das bist ja wirklich Du! Und wo willst Du jetzt hin? Ins Mena House! Mit diesem Bus? Ja! Ok. Irgendwie passt das nicht ins Bild. Ein Ausländer, der mit einem Auto durch die Gegend fährt, das ausschließlich für die Personenbeförderung der ärmeren Schichten genutzt wird und der dann zu allem Überfluss auch noch ein 5-Sterne-Hotel ansteuert.

Ebenfalls verwunderte Blicke haben wir dann bei der Einfahrt auf das Hotelgelände geerntet. Jedoch war man hier zu diskret, um direkt zu fragen, was das für eine eigenartige Kombination sei. Der Parkplatzwächter konnte dann aber nicht an sich halten und hat gesagt, dass das ja ein echt cooles Auto, aber die Kombination schon etwas ungewöhnlich sei. Meine Stunde. Ich habe ihm dann geantwortet, dass ich so schlecht verdiene und nebenbei noch Taxi fahren muss, um über die Runden zu kommen. Den Spaß hat er verstanden. Wir konnten die Schranke passieren. Zeit für ein paar Fotos vor beeindruckender Kulisse.

           
Und dann war es endlich an der Zeit für den wohlverdienten Kaffee.


Bei der Ausfahrt hat mir der Parkplatzwächter noch mit einem Augenzwinkern gesagt, ich soll mich nicht erwischen lassen, denn er habe den Verdacht, meine Nebentätigkeit sei nicht angemeldet. Spaßvogel.

Autowaschen ist zwar ganz nett, aber jede Woche brauche ich das nicht. Also bin ich am nächsten Tag zum Autoteilebasar und habe dem Bus einen Pyjama gekauft. Besser so.

   

Freitag, 11. Mai 2018

Lasst die Spiele beginnen!

Ich schwinge mich gerade so ein bisschen in den Bus ein. Sowohl was die Arbeiten betrifft als auch in Bezug auf die Teilnahme im Straßenverkehr Kairos. Dieser ist nichts für Weicheier und bringt einen durchschnittlichen Mitteleuropäer an einen Punkt, den er aus Albträumen kennt. Mit dem Passat bin ich da mit offensiver Begeisterung dabei, mit dem Bus, der sich ganz anders fährt und andere Größendimensionen aufweist, brauche ich da wohl noch ein bisschen.
Auch die Arbeiten habe ich ganz langsam und sachte begonnen und nach und nach nebenbei eine Bestandsaufnahme gemacht, was sich da in nächster Zeit so repariert gehört. 40 Jahre und der Großteil davon in Afrika haben deutliche Zeichen hinterlassen. Improvisationskunst pur und nichts für den deutschen TÜV.
Aber wie gesagt, ich habe sachte begonnen. Zunächst mal kamen die Aufkleber weg, die mir nicht gefallen haben. So zum Beispiel der hier:



So ein Fake-Einfuhraufkleber soll wohl einen Hauch von Internationalität vermitteln. Sehr witzig finde ich hingegen die Piktogramme auf der Heckscheibe. Die habe ich gelassen. Ebenso das "Volkeswagen" auf dem Dach. Das ist so herrlich ägyptisch: perfekte Imperfektion.

 
Was vor der Zulassung entfernt werden musste waren die seitlichen Kuhfänger. Die sind zwar ganz praktisch und schützen vor Schrammen, bei den Behörden aber nicht gerne gesehen. Eigentlich sind sie sogar verboten.



Ich hätte sie nach der Zulassung wieder anbauen können, aber so richtig hübsch fand ich die auch nicht und so habe ich sie dann auch direkt in den Müll geworfen. Hier entsorgt man ja alles (also alles!) über den Hausmüll - ein sehr praktisches Konzept. Von wegen Joghurtbecher ausspülen und so...   


Ich bin der festen Überzeugung, dass der Bus genau so bleiben soll wie er ist. Man soll ihm ansehen, welches Leben er hinter sich hat mit der Außenfarbe, die es original nie gab, mit den Polstern, Orientstyle sind und der Innenverkleidung, die so gut passt, dass man fast meinen könnte, sie wurde ab Werk in Hannover so verbaut.
Womit ich allerdings nicht leben konnte waren die schwarzen Rückleuchten und Blinker. Die waren ohnehin schon getönt, aber scheinbar war das noch viel zu hell.



Man liebt hier pragmatische Lösungen und so wurde da einfach eine schwarze Folie drübergeklebt.


Also weg damit. Da habe ich jetzt Rückleuchten "Made in Egypt" montiert. Die werden hier wirklich hergestellt, haben aber natürlich kein E-Prüfzeichen. Sieht viel besser aus finde ich.



Die Blinker kommen aus Brasilien, haben also auch kein E-Prüfzeichen, aber haben eine wesentlich höhere Passgenauigkeit als die Rückleuchten. Kosten aber dafür mit umgerechnet 1,40 Euro auch dasselbe bei viel weniger Material. Irgendwie sind wir schon ein bisschen blöd in Europa.





Vielleicht fragt sich jetzt der ein oder andere schon, wo man hier die Teile herbekommt, vielleicht aber auch nicht. Für einen Ausländer ist es nicht einfach herauszufinden, wo man was bekommt. Die Läden sind meist unscheinbare Garagen, die noch nicht einmal wirklich dafür werben, was sie verkaufen. Teilehändler sind eher auf einzelne Marken spezialisiert - überwiegend chinesische und asiatische. Man braucht eigentlich immer irgendjemanden, der einem sagt, wo man was bekommt und selbst dann sind die Händler kaum zu finden.
Ich habe Glück. Bei mir um die Ecke ist fußläufig 5 Minuten entfernt ein solcher Garagenhändler angesiedelt, der sich auf Käfer- und Busteile spezialisiert hat.

 
Wie man sehen kann, sind wir schon jetzt dicke Freunde. Er verkauft zwar überwiegend Gebrauchtteile, doch bisher hatte er immer alles neu da, was ich haben wollte. Das ist jedes Mal eine total irre Prozedur. Ich zeige ihm ein Bild von dem Teil, das ich haben möchte. Er schaltet dann erst einmal das Licht ein indem er die entsprechende Sicherung reindreht. Dann verschwindet er hinter das Hochregal im Hintergrund. Erst hört man es rascheln und wenn er pustet, dann weiß ich, dass er das Teil gefunden hat und vom Staub befreit.

So zum Beispiel bei den neuen Außenspiegeln, die alten im oberen Bild waren unansehnlich, verbeult und haben sich ständig verstellt...


 
... oder bei den Pedalgummis.



 
Der ägyptische Geschmack ist auch nicht so wirklich mein Fall. Fast alle Innenverkleidungsteile wurden nachgefertigt, gleichzeitig aber mit so komischen Nieten versehen.

 
Die habe ich alle weggemacht und jetzt kann man das auch anschauen.



Auch die Seitenverkleidung der hinteren Sitzbank war alles andere als mein Fall.


Ohne sah es aber noch schlimmer aus.


Dummerweise dachte ich aber, ich muss beim Ausbau nicht aufpassen, habe dabei die Verkleidung zerrissen und den Unterbau in den Müll geschmissen. Zwei Stunden später habe ich den da wieder rausgefischt und zum Sattler gebracht, der direkt neben meinem Teilehändler seine Werkstatt hat.

   
Bevor dann die richtigen Arbeiten losgehen sollten, musste ich werkzeugtechnisch aber noch ein bisschen aufrüsten. Ein Schraubstock musste her, ebenso ein paar Abzieher, ein Kugelkopfabdrücker, eine Eisensäge, eine Gripzange und diverse andere Kleinteile. Gerade bei der 46er Nuss und dem Knebel für die Kronenmutter an der Radnabe war ich skeptisch, etwas in guter Qualität zu bekommen. Aber ich hatte Glück. Der Verkäufer konnte englisch und fragte, ob ich Ware aus China oder Taiwan möchte. "China: good price, bad quality. Taiwan: Bad price, good quality!"
Damit war die Frage auch schon beantwortet. Es steht sowieso Made in Germany drauf, das erhöht die Verkaufszahlen ungemein.

    
Ich habe das alles den ganzen Tag im Rucksack durch die Stadt getragen. War ein bisschen wie beim Bund, 25 Kilo hatte das allemal.

Bremsen und Lenkung sind die beiden Komponenten, die ich als erstes in Angriff nehmen möchte. Die Lenkungsteile sind bereits auf dem Weg an meine Adresse in Deutschland. Die nehme ich  kommendes Wochenende mit wenn ich kurz zurück ins Spaßfreiland muss. Bremsschläuche habe ich mir schon mitbringen lassen. Dringlicher war aber zunächst mal der Tausch der Antriebswellenmanschetten.

  
Die hatte natürlich auch mein Teilehändler auf Lager. Der Tausch geht vergleichsweise einfach und die Schrauben gingen glücklicherweise auch problemlos auf.





Die linke Seite ist als nächstes dran. Auf dem letzten Bild sieht man auch schön die Freiverlegung der Bremsschläuche. Das werde ich ändern. Ohne Bremskraftverstärker wird das nie eine top Bremsanlage, aber mann muss ja nicht zusätzlich noch dafür sorgen, dass die Bremsleistung noch schlechter wird als sie ohnehin schon ist.