Samstag, 15. Dezember 2018

Sechs Pyramiden, viel heiße Luft und Bundestag

Dauerthema Luft. Was habe ich Luft verloren. Einmal im hinteren rechten Reifen, dann im hinteren linken Reifen, dann wieder im rechten und dann wieder im linken. Hammerschläge auf die Felge, Rostentfernung an der Auflagefläche, viel Flex und Drahtbürste - nichts brachte die erhoffte Dichtheit. Ende Oktober hatte sich eine Delegation des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung angekündigt. Im Rahmen eines Arbeitsessens im Marriott Mena House direkt im Schatten der Pyramiden sollten ausgewählte Themen besprochen werden, die uns in unserem Arbeits- und Lebensalltag hier beschäftigen.
Selbstverständlich wollte ich mit dem Bus anreisen, irgendwie fand ich das passend. Am Tag zuvor noch einmal die Luft gecheckt, wobei es da nicht viel zu checken gab. Beide hinteren Reifen waren platt. Ich hatte keinen Bock, beide abzuschrauben und so bin ich zu meinem Reifenhändler gegenüber und habe gefragt, ob er seine Luftdruckleitung auf 25 Meter einmal quer über die Straße verlängern kann. Konnte er. Wobei auch das nicht so wirklich geholfen hat, denn einen luftdichten Abschluss zwischen plattem Reifen und Felge bekommt man so nicht wirklich hin. Mit einigen Tricks ging es dann aber doch.
Dann wollte ich den Bus noch waschen, stand er doch einige Zeit und war entsprechend staubig. Das ging aber nicht, denn vor der Garage stand ein Auto und der Bawab hatte vergessen, seinen Schlüssel einzukassieren. Da er weder telefonisch erreichbar noch persönlich aufzufinden war, habe ich den Waschgang dann notgedrungen auf den nächsten Tag verlegt. Malesh. Hier darf man keinen Plan haben. Der funktioniert sowieso nie.
Also am nächsten Tag nach dem Frühstück in die Garage, jetzt war sie auch nicht zugeparkt, aber dafür war der rechte hintere Reifen wieder platt. Das kostet echt Nerven. Glücklicherweise hatte ich vor einiger Zeit einen Ersatzreifen organisiert, den habe ich dann aufgezogen und dann konnte endlich der Staub und Sand der letzten Wochen abgewaschen werden.
Ich denke, man merkt auch schon, wo hier das Problem in der Alltagsbewältigung liegt. Hier machen einem Dinge das Leben schwer, an die man in Deutschland nicht mal denken würde. Erledigungen, die man daheim schnell mal zwischen Tür und Angel vornimmt, verschlingen hier schnell mal einen halben Tag.
Natürlich war ich nach dieser ungeplanten Verzögerung spät dran, also schnell geduscht, in den Anzug gesprungen zurück zum Bus und den Kleinen in seinem Maxicosi mit dem neuen Gurt (das ist auch der einzige von den dreien, der benutzt wird, was mich echt erfreut) ordnungsgemäß festgeschnallt. Mehr oder weniger, aber für mich ist das gut so.

     
Hundertprozentig pünktlich war ich nicht, denn ich hatte nicht eingeplant, dass der Tourismus im Laufe des Jahres deutlich zugenommen hat und so musste ich an der Einfahrt zu den Pyramiden länger warten als gedacht. So habe ich dann auch die Vorstellungsrunde verpasst, beziehungsweise kam ich gerade noch rechtzeitig um als letzter einzuspringen. Moderiert wurde das Ganze vom Sprecher der Delegation, dem ehemaligen Verkehrsminister Peter Ramsauer. Wie passend - auch wenn nicht jede seiner Entscheidungen im Sinne der Oldtimerszene war.


Nach einem konstruktiven Austausch bei gutem Essen ging es zurück zum Hotelparkplatz. Selbstredend gab es bei der Einfahrt beim Sicherheitscheck wieder das bekannte Schauspiel, ein deutscher im Anzug in einem Arme-Leute-Bus, das passt irgendwie nicht zusammen. Aber der Parkplatzwächter erkannte dann sowohl den Bus als such mich wieder und entsprechend groß war das Hallo.
Wie ist das eigentlich so mit der Jugend? Gerade mal zehn Wochen im Leben, geht es in einem waschechten Bulli mit eigens für ihn eingebauten Gurten an die Pyramiden von Giza, Weltkulturerbe, um in einen ersten Kontakt mit den Volksvertretern des Landes zu treten, dessen Staatsbürgerschaft er zwar besitzt, das er aber noch niemals betreten hat. Klingt eigentlich ganz spannend, aber so spannend ist es dann scheinbar auch wieder nicht.


Dafür wurde es wenige Wochen später für mich um so spannender. Das Luftproblem ist mittlerweile beseitigt, ich habe bei meinem Bus- und Käferteilehändler um die Ecke zwei gebrauchte Felgen besorgt, die er zuvor überarbeiten lassen hatte. Und schon wieder Ärger mit Luft. Diesmal aber im Bremssystem. Wir waren auf dem Weg zu den Pyramiden von Dashur als plötzlich und ohne Vorwarnung das Bremspedal bis ans Bodenblech durchsackte. Nix gut. Da wird doch nicht der Hauptbremszylinder durch sein?


Ein Fahrzeug ohne Bremsen ist eher suboptimal im hiesigen Verkehr. Was also tun? Schräg gegenüber war ein Auspuffbetrieb und der hat uns an den Bremsenmohamed verwiesen, der 200 Meter entfernt war. Die Strecke konnten wir dann mit Warnblinklicht und ganz langsam bewältigen, obwohl uns einmal ein U-Turn die Fahrt erschwerte.
Nur der Mohamed war nicht da. Im Cafe nebenan hieß es, er sei in zehn Minten da. Jetzt kennen wir ja die zehn ägyptischen Minuten, eine Stunde und zwei Ahwa masbut später tat sich immer noch nichts.


Dann sollte ich den Wagen beiseite fahren. Und plötzlich war wieder Bremsdruck da. Okay, also Luft im System. Aber wo kam die her? Ich konnte keine Leckstelle finden, der Ausgleichsbehälter war auch voll. Zehn Minuten später war dann Mohamed da. Er mache zwar keine so alten Autos aber er würde das System mal entlüften. Hat er dann auch getan: Entlüftungsnippel auf, Bremspedal treten lassen, Bremsflüssigkeit spritzt auf den Boden. Old school. Malesh. Der Hauptbremszylinder ist sowieso hinüber. Das Ganze vier Mal und dann war der Druck wieder da.

 
Und wo kam jetzt die Luft her? Ich nehme an, dass sie über den Hauptbremszylinder eindringt. Zumindest war das unsere gemeinsame Erklärung. Das könnte auch wieder passieren meinte er, aber das sollte uns nicht von der Fahrt abhalten. Ich sah das genauso, man wird ja schmerzfrei hier. Muss ich halt pumpen wenn das Pedal wieder durchsackt. Dann haben noch schnell 2,50 Euro für das Entlüften und den halben Liter DOT3 den Besitzer gewechselt und es konnte weitergehen.

Ziel waren die Pyramiden von Dashur. Weniger bekannt als die Pyramiden von Giza, sind sie nicht minder interessant. Und vor allem viel weniger touristisch. Wir wollten uns die rote Pyramide, die schwarze Pyramide und die Knickpyramide ansehen. Aber irgendwie war an diesem Tag jetzt schon der Wurm drin. Es gab zwar keine Probleme mit den Bremsen mehr, dafür haperte es jetzt irgendwie an der Navigation.

Das konnte irgendwie nicht die Zufahrt zum Pyramidenplateau sein, so wenig touristisch geprägt ist das Areal dann auch wieder nicht und da müssen ja schließlich auch große Busse durch:


Es wurde nicht besser...


Wir haben Winter. Da kann es auch mal regnen. Und wenn nicht geteert ist, dann kann man auch gleich mal die Traktion testen.


Irgendwann standen wir inmitten eines Friedhofs, auf dem gerade eine Beerdigung stattfand. Eigentlich hätten wir die Fahrt dort beenden müssen, aber irgendwie war da so eine Auffahrt, so eine Art Piste nach oben, sandig zwar, aber da es die Nacht zuvor geregnet hatte, war der Untergrund hart. Ich habe dann mal Vollgas gegeben, an der Trauergemeinschaft vorbei in den Sand. Als wir oben waren ging es weiter, immer weiter und plötzlich standen wir - zwar noch in einiger Entfernung - vor den Pyramiden. Das hatte sich mal gelohnt.




Ich hatte irgendwie so das Gefühl, wir sollten nicht weiterfahren. Ansehen wollten wir uns das Ganze aber doch. Also sind wir zu Fuß weiter. Man geht ja sowieso viel zu wenig hier.

Ein letzter Blick auf den Bus und dann nur noch geradeaus...


Schön war das. An einer alten römischen Siedlung vorbei ging es immer näher an die Pyramiden heran.


   
 
Wir haben dann irgendwann auch bemerkt, dass das Areal an der Vorderseite eingezäunt ist, dass es da ein Kassenhäuschen und Polizei gibt und dass wir da quasi den Hintereingang benutzt hatten. Aber was will man denn machen. Als wir direkt vor der Knickpyramide standen, fand der Spaß dann sein Ende.


Es kamen zwei junge Männer auf einem Moped auf uns zu und wollten wissen, ob das unser Bus da vorne sei. Das konnte ich schlecht verneinen. Wir sollten da mal dringend hin, da stünde jemand von der Pyramidenverwaltung und sei ziemlich sauer. Na gut, es bleibt halt auch nicht ganz unbeobachtet, wenn man mit einem alten T2 mit Vollgas an einer Trauergemeinschaft vorbeiheizt und dann hinter der Düne verschwindet. Also sind wir zurück, was allerdings ein bisschen gedauert hat. Ja, da standen zwei und der eine von ihnen war, sagen wir mal, nicht gleich so extrem freundlich. Mit viel Höflichkeit und einigen Beteuerungen, dass das nicht unsere Absicht gewesen sei, sondern die von Google konnten wir die Situation dann deeskalieren. Allerdings sollten wir in seiner Begleitung an das Kassenhäuschen fahren und wenigstens die Eintrittstickets nachlösen. Das fanden aber die beiden Jungs auf dem Moped nicht so prickelnd, die hätten gerne gehabt, dass wir ihnen eine Strafe bezahlen. Das wollte aber unser neuer Freund nicht. Es wurde geschrien, geschubst und dann deutete er uns an, wir sollten uns einfach vom Acker machen. Auch gut.

Auf dem Rückweg hatten wir dann eine bessere Straßenführung und konnten auch sehen, wo wir am besten entlanggefahren wären. Oder am besten nicht, denn sonst wären wir nicht in den Genuss der Aufnahmen und dieser Erlebnisse gekommen.

 
Und im Hintergrund kann man auch schon wieder die Pyramiden von Giza sehen wenn man genau hinsieht.


Was steht jetzt als nächstes an? Erst einmal müssen die Bremsen gemacht werden. Ein neuer Hauptbremszylinder ist bestellt, bei der Gelegenheit kann ich dann gleich einen Rundumschlag vollziehen. Da liegt noch so einiges in der Abstellkammer...


Nach Weihnachten!