Montag, 4. Juni 2018

Mit dem Hammer auf Spur gebracht

Hierzulande hat man ein extrem entspanntes Verhältnis zu sicherheitsrelevanter Technik und dem dazugehörigen Reparaturverhalten. In meinem 3BG verhindert die Metallkante von einem Schrubber, dass sich das Kühlwasser aus dem Motor verabschiedet. Ich neige bisweilen auch dazu, unkonventionell zu reparieren, im Vergleich zu dem, was ich hier sehe, ist das aber lediglich die Vorstufe in den Kindergarten. Richtig gruselig wird es bei der Bremsanlage, da konnte ich selbst kaum glauben, was ich sah, die ist aber zu einem späteren Zeitpunkt dran. Bis dahin fahre ich mit orientalischem Gottvertrauen durch die Lande.
Kürzlich kam ich in meine Garage und musste feststellen, dass der Reifen hinten rechts platt war. Direkt gegenüber ist - was für ein Zufall - ein Reifenhändler. Irgendwie mangelte es mir da aber an ausreichendem Vertrauen. Also habe ich die Felge geschnappt und sie über die viel befahrene Shera Mourad zu Bridgestone gerollt. Da hatte ich bereits mal einen Reifen flicken lassen, die arbeiten nach europäischen Maßstäben (dachte ich bis dahin - wie naiv!), verfügen über gute Geräte und der Mechaniker kannte mich noch vom letzten Mal. Kurze Begrüßung, fi mushkila, Reifen ist platt, malesh, bitte reparieren. Ich hatte diesen Chromring noch nie herunten und in der Garage war es dunkel, aber jetzt im hellen Neonlicht konnte ich die Misere ungeschminkt sehen. Der gesamte Felgenrand glich einer Laola-Welle. Ein Wunder, dass die Felge überhaupt noch Luft gehalten hat. Und genau da lag auch das Problem. Der Reifen hatte gar kein Loch, er verlor die Luft am verbeulten Felgenrand. Felge kaputt war die fachkundige Erkenntnis des Mechanikers. Musst Du neu kaufen in Haram bei den Busfahrern. Kann man da nichts machen? Eigentlich nein. Jetzt muss man wissen, dass eigentlich nein ja heißt. Und was macht man da? Reifen ab, erst mal den Felgenrand mit der Zange für die Wuchtgewichte etwas gerade gebogen, viel Seife verschmiert, Reifen wieder drauf, aufpumpen und dann so lange mit einem großen Fäustel darauf herumschlagen, bis es nicht mehr zischt. Das ist eine andere Welt. Der Chef kam vorbei und hat das ganze Spiel wohlwollend kopfnickend abgesegnet. Dann war die Felge aber am Ventil undicht. Also Reifen wieder runter, neues Ventil rein, wieder viel Flutschi, Reifen wieder aufgezogen und erneut mit dem Hammer die vermeintliche Endlösung vollzogen. 

       
Der ganze Spaß kostete 22,50 Pfund, umgerechnet knapp über einem Euro. Zum Abschied kam die Frage, ob ich ihm nicht Arbeit bei Bridgestone in Deutschland besorgen könnte. In solchen Momenten wird mir immer wieder bewusst, in welch unterschiedlichen Welten wir leben. Er könnte das, was bei uns abgeht, wahrscheinlich nicht im Ansatz nachvollziehen, genau so wenig wie Deutsche das verstehen könnten, was hier tagtäglich so vor sich geht. Und ich bin da irgendwo dazwischen. Auch das wird mir immer deutlicher bewusst. Ich finde das inzwischen selbst schon wunderlich, wie man in Deutschland manchmal die Dinge so handhabt. Kürzlich habe ich eine Reportage über den deutschen TÜV gesehen und mich dabei ertappt, wie ich mir gedacht habe, wer braucht so etwas eigentlich? 
Aber zurück zum Thema. Ich habe nicht ganz verstanden, wieso die Felge wochenlang die Luft hält und dann plötzlich nicht mehr. Aber egal. Ich habe sie dann mit den drei (!) von fünf Schrauben, mit denen sie befestigt war, wieder angeschraubt. Die Reparatur war erfolgreich, die Luft bleibt drin. 

Zwei akute Baustellen sind die Lenkung und die Bremsanlage. Letztere ist wie bereits angedeutet noch dringlicher, dennoch habe ich dieses Wochenende mal mit der Lenkung begonnen. Die entsprechenden Teile habe ich vor zwei Wochen aus Deutschland mitgebracht. Hier sind die kaum zu bekommen. Ebenso wie der gelbe Sack ;-).  

   
Das war logistisch eine ganz schöne Herausforderung, denn eigentlich war das zulässige Gesamtgewicht für den Koffer schon alleine mit den Autoteilen erreicht. Ich wollte nicht, dass der Zoll bei der Einreise in Kairo dicke Backen macht. Für den Fall, dass ich doch kontrolliert werden sollte, was bislang noch nicht vorgekommen ist - ich verfolge da eine recht erfolgreiche Strategie, wobei ich aber auch denke, dass mein Pass dabei hilfreich ist - habe ich die ganzen Autoteile in meiner Schmutzwäsche verpackt. Da will keiner ran. Und dann waren da noch zwei Kilo Spargel und diverse andere Gegenstände des täglichen Gebrauchs, an die man hier ganz schlecht kommt.

So ausgestattet konnte es dann auch losgehen. Also hoch mit dem Bein!


Vor einigen Wochen hatte ich mir bereits einen Kugelgelenkabdrücker in Ataba besorgt. Damit war der Ausbau der Spurstangen ein Kinderspiel.

Wie man sieht, komme ich von dem Thema Bremsen nicht los, es verfolgt mich bei jeder Handbewegung an dem Auto. Und das hier ist noch recht harmlos. Trotzdem geht es hier jetzt um die Spurstangen.



Um das Thema Spur einstellen musste ich mir hier wenig Gedanken machen, die hat nämlich vorher schon nicht wirklich gepasst. Ich habe einfach die neuen Köpfe möglichst genau auf das Maß der alten gedreht. Das Thema werde ich dann mal angehen, wenn ich die Traggelenke getauscht habe, die sind nämlich auch wirklich in einem üblen Zustand. Falls es hier überhaupt so etwas wie einen Einrichtung zum Einstellen der Spur gibt. Den Tausch der Traggelenke möchte ich noch ein bisschen schieben, das soll nicht ganz so einfach sein wie man hört.


Auch hier wieder das Thema Bremsen. Der Bremsschlauch, der viel zu lang ist, scheuert an der Spurstange.

  
  
Zu guter Letzt war dann noch ein Tausch der Lenkstange fällig. Auch das ging ganz problemlos.


Die ausgebauten Teile waren in besserem Zustand als ich anfänglich befürchtet hatte, dennoch ist das Ansprechverhalten der Lenkung jetzt deutlich besser als zuvor. Um das Restspiel zu beseitigen, muss ich wohl ans Lenkgetriebe. Das lässt sich nachstellen.

Als nächstes stand das Fernbetätigungsschloss der Schiebetür auf dem Programm. Das lässt sich nicht verriegeln, der Bus steht also immer offen. Da scheint aber ein mechanisches Problem im Inneren die Ursache zu sein. Das Schloss selbst kann man nicht zerlegen. Das werde ich wohl ägyptisch lösen, ich habe da auch schon eine Idee.

Ich hatte keine Ahnung, wann der letzte Ölwechsel war. Kann ja auch nicht schaden. Auf dem Rückweg nach Hause bin ich einfach mal bei Mobil vorbeigefahren, die arbeiten ganz ordentlich. Momentan ist ja Ramadan, Autofahren ist wesentlich entspannter als im Rest des Jahres, doch ständig passiert es mir, dass Angestellte gerade beim Beten sind. So auch, als ich an der Tankstelle ankam. Das ist immer ein bisschen unangenehm, denn man steht da daneben und wartet, bis das Gebet beendet ist. Ich versuche dann immer, ein paar Schritte abseits zu stehen. Doch das Warten war umsonst. Bei Mobil gibt es scheinbar nur noch das gute Mobil One 5 W 30 "Langzeitöl", das man auch nur noch alle 10.000 km wechseln muss. Für den Bus viel zu dünn. Also weiter über die Chrles de Gaulle am Four Seasons vorbei auf die Shera Mourad, an deren Ende sich die Tankstelle von Misr Petroleum befindet, die aufmerksame Leser dieses Blogs bereits vom Autowaschen kennen. Wo könnte man besser einen Ölwechsel machen lassen als dort, wo man auch vermehrt die T2s findet?

Hier gibt es das gute 20 W 50 und jede Menge interkulturelle Erfahrung. An diesem Tag war ein hagerer, älterer Herr für mich zuständig, der mich von seiner Aussprache, Mimik und Gestik ein wenig an den Porter bei Macbeth erinnerte. Aber das war noch nicht alles. Der ganze Mann war Öl. Der Overall war ölgetränkt, seine Haare ebenfalls, der ganze Körper schwarz und in seine Adiletten lief das Öl oben rein und unten wieder raus. Dementsprechend war alles schwarz, was er anfasste.

Ich wollte kein Bild von ihm machen, das erschien mir unangebracht. Aber der Zuständige für die Rechnung, der kam mir eher zufällig vor die Linse.

       
Zunächst mal hat der Ölmann den Luftfilter "ausgebaut". Dann einen Eimer druntergestellt, die Ablassschraube geöffnet und das Altöl weit spritzend in den Eimer laufen lassen. Dann hat er aus einem alten Karton einen Trichter gebaut, um das frische Öl einfüllen zu können. So etwas habe ich auch noch nicht gesehen.


Beim Einbau des Luftfilters hat der gute Mann dann den Luftschlauch für die Motorkühlung falsch aufgesteckt, was ja jetzt auch nicht unbedingt für ihn spricht. Bei der Gelegenheit habe ich dann bemerkt, dass der Eingang des Kühlgebläses mit einem Stück Schaumstoff verstopft ist. Als ich das rausgepopelt habe, bekam ich gleich einen Anschiss. Das sei wichtig wegen des Staubs. Das kann aber nicht wirklich im Sinne des Erfinders sein, denke ich mal.
Der ganze Spaß hat mich 127 Pfund gekostet, umgerechnet knapp 6 Euro, ein guter Liter Nachfüllrest im Kanister inklusive.
Zum Abschluss des Tages habe ich dann noch alle Gelenke der Brems-, Kupplungs-, und Gasmimik ordentlich gefettet. Kann ja nicht schaden, dachte ich mir. Das hätte ich aber besser mal nicht machen sollen, wie ich am nächsten Tag erfahren sollte.

Das Wochenende war ja noch nicht vorbei und langsam möchte ich meinen Radius auch ein bisschen erweitern. Also sind wir am kommenden Tag noch über Maadi, wo wir einen Termin hatten, nach Cairo Festival City zu Ikea. Mit knapp 60 Kilometern hin und zurück war das bislang die weiteste Strecke, die ich mit dem Bus bewältigt habe. Auf dem Weg nach Maadi ist mir immer wieder das Gaspedal hängen geblieben. In Maadi selbst ist mir dann der Gaszug aus der Aufnahme am Pedal herausgesprungen. Auch hier kann ich mir nicht vorstellen, dass das Original so gelöst war. Da ist einfach so ein flaches "S" am Ende des Zugs, mit dem dieser in eine Öse an der Pedalmimik gesteckt ist. Ohne Fett hält der wohl gerade noch so, mit aber nicht mehr wirklich. Das ist kein großer Akt, den Zug wieder einzuhängen, aber je nach Verkehrssituation ist das nicht wirklich ein Spaß.

Auf dem Weg zu Ikea ist mir das dann noch zwei Mal passiert. Ich habe jedes Mal auch das Fett entfernt, wodurch sich das Problem etwas gebessert hat. Bei der Einfahrt auf den Parkplatz gab es dann wieder das altbekannte Spiel: halt, stop, Taxis dürfen nicht auf das Gelände, signalisiert durch weit in die Höhe gehobene, winkende Arme. Aber was ist das? Ein Ausländer? In einem Microbus? Wo willst Du denn hin? Zu Ikea! Ok.


Hier wurde mir dann zum ersten Mal auch einer der großen Vorzüge eines VW-Transporters bewusst: Türe auf, Tisch rein, Türe zu. Und gut.

Einer der Wege zu Festival City führt über die Ring Road, die ich am liebsten meide, weil die für mich immer noch dem Vorhof zur Hölle gleicht.


Natürlich ist mir auf dem Rückweg gerade dort wieder der Gaszug aus der Führung gesprungen. Es blieb mir nichts anderes übrig als den Warnblinker einzuschalten, auf die rechte Spur zu rollen und das vermaledeite Ding wieder reinzufriemeln. Ich lebe noch! Elhamdullilah! Mir ist keiner mit 100 hinten drauf, weil er gerade eine WhatsApp-Nachricht geschrieben hat. Auch was wert. 

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