Mittwoch, 10. April 2019

Wie Ork vom Planet Zorg: mit einem Proletariatsfahrzeug direkt in den deutschen Cluburlaub

Ich liebe mein Auto. Es ist alt, laut, es brummt und dröhnt,  hat aber einen ganz erheblichen Vorteil: es funktioniert ohne Murren und Knurren und steckt trotz seines stolzen Alters von 33 Jahren tausende von Kilometern unter erschwerten Bedingungen ohne Probleme weg. Kurzum: es hat mich noch nie im Stich gelassen und das ist hier Gold wert. Und es hat eine funktionierende Klimaanlage. Ohne geht das hier gar nicht. Das sieht aber nicht jeder so, was mir an diesem Wochenende wieder einmal bewusst werden sollte. Und wir sind Exoten. Das wurde mir in diesem Zusammenhang auch wieder bewusst. Jetzt aber mal der Reihe nach.
Von 14.3. bis 17.3. stand ein langes Wochenende im Terminkalender. Es mangelte lange Zeit an einer Idee für ein geeignetes Reiseziel, dass wir die Stadt verlassen wollten, war aber absolut klar. Die Luft ist im Übergang vom Winter zum Frühling schier unerträglich schlecht. Der Zufall kam zu Hilfe. Ich war beim Zahnarzt (ich gehe hier übrigens im Gegensatz zu Deutschland außerordentlich gerne zu Ärzten das ist hier alles so herrlich entspannt ganz anders als daheim nicht zuletzt weil man die Termine ganz bequem per Whatsapp oder online vereinbart) und wartete nach Ende des Termins auf meinen Uber als ich mich plötzlich irgendwie daran erinnerte, dass mir ein Freund vor geraumer Zeit eine Whatsapp geschickt hatte mit dem Hinweis, dass er nach Ägypten kommt. Also habe ich den mal angetickert. Er kam am 14.3. und hatte einen Pauschalurlaub in Al Qusair gebucht. Das klang interessant, der Reisetermin passte perfekt und in Al Qusair waren wir noch nicht gewesen. Der Weg ist zwar lang, aber das ließe sich sicherlich irgendwie arrangieren.
Der Uber kam und noch auf dem Heimweg habe ich die Strecke mal eingegeben.

     
Ups. das ging ja ziemlich weit nach unten, wir werden am Donnerstag erst gegen Mittag loskommen, das war klar, und für die ganze Strecke war der Weg zu weit. Eigentlich nicht, aber zum einen hatten wir ja noch unseren kleinen Knirps an Bord, zum anderen möchte ich nachts diese unbekannte Strecke nicht überland fahren. Hurghada würde aber gehen. Aber schon wieder nach Hurghada? Wo waren wir denn noch nicht? Und so kam mir plötzlich El Gouna in den Sinn. Das wollte ich schon lange mal sehen. Das passte perfekt.


El Gouna ist eine künstliche Ferienwelt gigantischen Ausmaßes, die von Samih Sawiris, einem mehr als nur gut situierten Geschäftsmann erschaffen wurde, der nebenbei auch noch Absolvent unserer Schule ist.
El-Guna wurde in einer Mischung aus traditionellem nubischem Stil und moderner Architektur errichtet; dabei wurden vor allem einheimische Materialien wie Lehm und Naturstein verwendet. Die Stadt besteht aus 14 unterschiedlichen Hotels, und die einzelnen Quartiere sind über Fußgängerbrücken miteinander verbunden. Privatpersonen erwarben oder erwerben hier Wohneigentum. 
Ein passendes Hotel in El Gouna war schnell gefunden, schwieriger gestaltete es sich, einen Weg zu finden, sich zu einem einigermaßen annehmbaren Kurs in das Hotel in Al Qusair einzubuchen. Booking.com wollte sage und schreibe 4500 Pfund pro Nacht im Doppelzimmer all inclusive, das sind nach aktuellem Kurs fast 230 Euro. Das fand ich ziemlich übertrieben, zahlt man für die Woche von Deutschland aus inklusive Flug und Transfer um die 700 Euro. Als nächstes habe ich es dann bei einem rein deutschen Buchungsportal versucht und bin bei FTI gelandet. Dort gab es dasselbe Zimmer für 100 Euro. Das klang schon besser. Also den Buchungsprozess angestoßen. Bereits nach dem ersten Klick kam ein pop-up-Fenster, das eine Bestätigung einforderte: "bitte beachten Sie, dass dieses Angebot nur von nichtägyptischen Staatsbürgern in Anspruch genommen werden kann. Eine Ausnahme besteht wenn diese nachweisen können, dass sie kurz zuvor aus dem Ausland eingereist sind".
Hallo geht's noch? Hier werden Ägypter daran gehindert, ein ägyptisches Hotel in ihrem eigenen Land zu buchen? Das sollte man mal in Deutschland versuchen, da wäre Polen offen. Ok, Polen ist schon offen, aber Ihr wisst, was ich meine. 
Ich fand das nicht ganz in Ordnung, aber man ist sich ja selbst bekanntermaßen immer am nächsten und so habe ich das dann auch für mich abgehakt. 
Vier Wochen nach der Buchung konnte es dann auch schon losgehen. Wir sind mittags nach der Schule in Richtung El Gouna aufgebrochen. Ich finde es schon wirklich erstaunlich, welche Touren und Strapazen man einem sechs Monate alten und im Alltag ausgesprochen agilen Säugling zumuten kann. Der sitzt stundenlang in seinem Maxicosi und juchzt regelmäßig um Antwort bittend, um sich zu versichern, dass auch noch alle da sind. Alle zwei Stunden gibt es eine kleine Strampelpause von zehn Minuten, bei der es aber auch recht beengt zugeht. Aber das reicht ihm. 


               

Mittlerweile sind wir in Zafarana ja persönlich bekannt und so musste die ein oder andere Hand geschüttelt werden. Es ging aber recht zügig weiter. Erinnert Ihr Euch an den Eintrag von miite Februar als wir aus Hurghada kommend etwas beunruhigt waren, da eine Pipeline unter massiver Rauchentwicklung brannte ohne dass das jemanden interessiert hätte? Was soll ich sagen, wir kamen an der Stelle natürlich wieder vorbei. Seht selbst:


Ja, die brennt immer noch. Das Feuer ist kleiner, der Rauch deutlich weniger, aber sie brennt noch. Ganz ehrlich: das erklärt in zwei Bildern und ganz ohne Worte genau unser Leben hier. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Apropos Leben hier: die Straße war natürlich immer noch nicht fertig (wäre auch zu schnell gegangen) und man fährt immer noch durch die Baustelle. Ganz egal, ob da gerade frisches Bitumen aufgebracht wurde (siehe links)...


... oder der Schotter erst noch planiert werden muss (siehe rechts).


Pünktlich zum Einbruch der Dunkelheit sind wir dann in El Gouna angekommen. Abgestiegen sind wir im Mosaique Hotel der Orascom-Gruppe. Recht einfach, aber auch recht nett. Lediglich der Boden hätte feucht gewischt gehört. Für jemanden, der auf Schambehaarung steht, wäre der Zustand des Bodens wohl in Ordnung gewesen, für mich aber nicht.


In Gouna stehen alle Zeichen auf Europa. Es ist sauber dort, aufgeräumt und bei der Einfahrt in diese künstliche Stadt wird man kontrolliert wie früher an den europäischen Grenzen - oder heute wohl teilweise auch wieder was man so hört.
Der abendliche Ausblick vom Zimmerbalkon war ganz nett, doch satt wird man davon nicht und so sind wir ein paar Schritte gegangen und letztendlich in einer Pizzeria gelandet.



In der Hoffnung, eine gute italienische Pizza zu bekommen, wurden wir leider bitter enttäuscht. Jede Tiefkühlpizza hätte das besser gekonnt. Deutlich besser. El Gouna ist abschließend betrachtet eher Geschmackssache. Auf den ersten Blick ist alles, wie von zuhause oder zumindest von südeuropäischen Städten gewohnt. Auf den zweiten Blick fühlte ich mich aber irgendwo zwischen Disneyland und Factory-Outlet-Village. So ein bisschen unecht wirkt das ganze schon. Für einen kürzeren Aufenthalt ist das sicher ganz ok, länger möchte ich dort aber nicht bleiben. Das sollte aber auch auf unser nächstes Hotel zutreffen.
Das Frühstück am nächsten Tag hingegen schlug alle Erwartungen um Welten. Nicht nur, dass die Frühstücksterrasse einen bestechend beeindruckenden Blick bot, auch das Frühstücksangebot war dermaßen umfangreich, raffiniert und wohlschmeckend wie ich das bislang nur selten in Ägypten erlebt habe.

      
Derart gestärkt konnten die letzten 200 Kilometer bis Al Qusair locker in Angriff genommen werden. Es stellte sich nachträglich als eine kluge Idee heraus, dass wir diese Strecke nicht mehr am Abend zuvor gefahren sind. Hinter Safaga wurde die Straße einspurig und deutlich schlechter. Wir haben über zweieinhalb Stunden für die Strecke gebraucht, was wohl einen recht guten Anhaltspunkt für den Zustand der Straße liefert.
Am Hotel angekommen, dessen Name eher nichtssagend LTI Akassia Beach heißt (eigentlich war das ein ganzer Hotelkomplex mit mehreren Unterkünften, unser Hotel nur eine davon) wurden wir erst einmal jäh ausgebremst.
Was wollen Sie hier?
Einchecken.
Wie, einchecken? Haben Sie denn eine Reservierung?
Ja, haben wir.
Aber Sie kommen mit dem Auto?
Ja, tun wir.
Wieso kommen Sie mit dem Auto?
Ich hatte keinen Bock auf Flugzeug.

Bis dahin fand ich das noch ganz witzig, das sollte sich aber alsbald ändern.

Aber Sie kommen mit dem Auto? Woher kommen Sie denn?
Aus Kairo.
Sie kommen aus Kairo mit diesem Auto? Wie geht das denn?
Ja.
Und was wollen Sie hier?
Einchecken.
Haben Sie eine Reservierung?
Ja.

Langsam wurde ich ärgerlich.

Ok, ich muss mit dem Hotelmanagement sprechen, ich darf sie hier sonst nicht passieren lassen.
Ok.
Kommen Sie bitte mal, der Hotelmanager möchte mit Ihnen sprechen.

Und was passierte? Genau!

Sie wollen einchecken?
Ja.
Und Sie kommen mit dem Auto aus Kairo?
Ja.
Haben Sie denn eine Reservierung?

Jetzt wurde ich sauer und habe das dem Herrn am anderen Ende des Telefons auch unmissverständlich zu verstehen gegeben.

Okay, fahren Sie vor.

Am Eingang zur Rezeption angekommen wiederholte sich das ganze Spiel von vorne. Ich spare mir das jetzt mal, das Procedere ist ja bekannt. Letztendlich erhielten wir unsere Reiseunterlagen, die auch schon vorbereitet waren und durften auf den Angestelltenparkplätzen am Eingangstor parken. Gästeparkplätze gibt es keine. Das konnte ich bereits jetzt schon nachvollziehen, denn wir waren in einer deutschen Kolonie gelandet, das stand jetzt schon fest. Und von dieser Klientel kommt wohl eher selten jemand mit dem eigenen Fahrzeug.

 
Wir bezogen unser Zimmer. Ich dachte, die ganze Angelegenheit sei damit beendet. Da lag ich aber falsch.
Die Anlage war sehr sauber und ansprechend, der Blick aus dem Zimmer zwar nur seitlich mit Meerblick, aber so hohe Ansprüche will man ja gar nicht stellen.


Wir trafen uns dann erst einmal mit unseren Freunden und stießen auf das freudige Wiedersehen mit Kaffee und Radler an. War ja alles all inclusive. Das ist auch so ein Konzept, das mir eher fremd ist, aber eigentlich ganz nett, auch wenn es den Wert von Speisen und Getränken irgendwie deutlich herabsetzt. Ich versuchte noch umständlich zu fragen, ob sie Bier und Zitronenlimonade mischen würden, als er verstand, was ich wollte, meinte er nur: "Sie wollen Radler, sagen Sie das doch." Um mich herum wurde nahezu ausschließlich deutsch gesprochen, sowohl von den Gästen als auch vom Personal. Dass ich ein bisschen arabisch konnte, fanden sie kurios. Das Wort für Essig kannten sie weder im Deutschen noch im Englischen, und so kam einer der Kellner zu mir und fragte, was Tanja eigentlich von ihnen wollte. Er habe gehört, ich spreche arabisch (das sprach sich auch wirklich schnell herum) und konnte ihm auch aushelfen. Allerdings gab es keinen Essig, es ist ja auch wirklich abwegig, zum Salat Essig zu wollen. Malesh.
Mit einer Zeremonie der besonderen Art wurde uns dann deutlich gemacht, dass der Nachmittag beendet sei und wir uns besser auf unsere Zimmer begeben sollten, um uns für das Abendessen fertig zu machen.


Die gesamte Hotelanlage wurde mit dieser Mischung aus Öl, Spiritus und Insektiziden eingeräuchert. Den meisten Hotelgästen dürfte sich der Sinn und Zweck dieser Aktion nicht ganz erschlossen haben, mir allerdings schon. Seit eineinhalb Jahren treten in der Region um Al Qusair immer wieder Fälle von Dengue-Fieber auf. Wir sind eigentlich angehalten, uns dort nicht aufzuhalten, aber nachdem sich das Ausbreitungsgebiet mittlerweile bis nach Hurghada erstreckt, lässt sich das auch nicht ganz umgehen.
Wir saßen beim eher weniger aufregenden Abendessen als der Hotelmanager die zweite Runde einläutete. Zuvor waren wir noch daran gescheitert, Birell (alkoholfreies ägyptisches Bier) zu bestellen. Der Kellner meinte: "Keine Chance. Birell ist Ägypten und Ägypten ist draußen. Hier gelten andere Regeln. Hier wird richtiges Bier getrunken - in rauen Mengen".
Es kam also der Hotelmanager.

Es gibt ein Problem mit ihren Pässen. Wir brauchen die noch einmal.
Ok. Aber wie Sie sehen, sind wir beim Essen.
Ja kein Problem, rufen Sie an, wenn Sie auf dem Zimmer sind, ich schicke jemanden vorbei, der sie abholt.
Gut.

Das habe ich dann auch getan. 20 Minuten später klingelte das Telefon.

Herr Dr. Eder!

- da war mir schon klar, dass es auch ihm jetzt langsam klar wurde, dass es an der Zeit für einen
   Kurswechsel war.

Sie wohnen in Giza?

Das fand ich jetzt allerdings spannend, denn ich hatte niemals meine ägyptische Adresse angegeben. Woher wusste der das?

Ja.

In ihrem Pass steht, dass Sie für das Auswärtige Amt arbeiten?

Ja, das ist korrekt.
Sie arbeiten im Bildungssektor?
Ja, das ist auch korrekt.
Herr Dr. Eder, alles in Ordnung, bitte entschuldigen Sie die Störung. Ich lasse Ihnen die Pässe umgehend bringen.
Sind Sie zufrieden mit unserem Haus?
Ja.
Entspricht das Zimmer Ihren Erwartungen?
Ja.
Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht. Haben Sie einen wundervollen Aufenthalt.
Danke.

Am nächsten Tag nach dem eher wenig überzeugenden Frühstück, ich hatte mich auf einen entspannten Strandtag eingerichtet, sollte aber immer noch keine Ruhe sein. Ich war grade mit dem Kleinen spazieren, Tanja war auf dem Zimmer geblieben, als das Telefon klingelte.

Ist der Doktor bei Ihnen?
Nein, ich bin nur müde und möchte mich ausruhen, ich bin nicht krank.
Nein, ich spreche von dem Doktor, Ihrem Doktor, wir möchten ihn gerne zu einem Gespräch einladen.     
Nein, der ist nicht da.
Bitte, er soll sich bei uns melden. Es ist wichtig.

Auf dem Zimmer angekommen, langsam war ich dann auch schon wieder leicht angenervt, habe ich die Rezeption kontaktiert.

Ich soll mich bei Ihnen melden?
Ja, vielen Dank, Herr Doktor Eder, der Manager des Gesamtkomplexes bittet Sie um einen dringenden Gesprächstermin.
Um was geht es?
Es geht um etwas Geschäftliches.
Ich bin hier im Urlaub, nicht in der Arbeit.
Ja, bitte trotzdem, wir schicken Ihnen einen Fahrer, der Sie abholt. Passt ihnen jetzt. Oder lieber später?
Dann doch lieber jetzt.

Ich hatte noch gar nicht ausgeraucht, da stand der Fahrer auch schon mit dem Golfwägelchen vor der Türe. Lange Rede, kurzer Sinn, in dem halbstündigen Gespräch wurde eruiert, ob ich nicht eine Bildungskooperation initiieren könnte. Deutschunterricht für das Personal, im Gegenzug gäbe es eine Aufwandsentschädigung und freie Kost und Logis. Für sowas bin ich ja gar nicht zu haben, aber ich versprach, mich umzuhören. Wenn also jemand Interesse hat.

Nach diesem Gespräch konnte der langersehnte Strandbesuch in Angriff genommen werden.

 


Der Nachmittag war dann auch wirklich entspannend. Ich weiß bis heute nicht, was die getrieben hat. Ob sie die Befürchtung hatten, ich sei ein Hotelinspektor aus Deutschland, ob sie uns einfach nicht einordnen konnten, oder was da auch immer gewesen sein mag. Auf jeden Fall stand unsere Zimmernummer in großen Lettern handschriftlich auf einem Block neben dem Telefon an der Rezeption, wir konnten die Sauna ohne Voranmeldung benutzen, bekamen einen Platz im Al la Carte Restaurant obwohl die Anmeldefrist für den folgenden Tag nachts um halb zwölf längst verstrichen war, bekamen Handtücher ausgehändigt, obwohl ich die Towel Card auf dem Zimmer vergessen hatte, ich bekam problemlos Cocktails, die in meiner Kategorie gar nich im Rahmen des All inclusve waren und als ich nach dem Strandaufenthalt auf unser Zimmer kam, klingelte schon wieder das Telefon.

Herr Doktor Eder, geht es Ihnen immer noch gut?
Ja.
Sind Sie immer noch zufrieden?
Ja.
Wenn Sie etwas brauchen, bitte melden Sie sich jederzeit, wir sind immer für Sie da.
OK.
Bitte entschuldigen Sie die Störung. Haben Sie noch einen schönen Tag!

Ich merkte langsam auch, dass es Zeit für die Abreise war. Und an der Zeit, dieses Bändchen loszuwerden.

  
Zuvor wechselten aber noch einige Ersatzteile den Besitzer. Ich hatte mir von meinem Kumpel einige Teile aus Deutschland mitbringen lassen. Das ist immer eine tolle Gelegenheit und ich werde sie früher oder später sicher brauchen. Seit Kurzem gibt es auch die seit Jahren entfallenen Hinterachslager für den Syncro wieder. Selbstverständlich habe ich da gleich mal einen Satz bestellt. Darüber hinaus noch einen Kupplungsnehmerzylinder und zwei Vorderachslager, die verbauten waren auch schon deutlich jenseits der Verschleißgrenze.


Zwei Tafeln Milka Alpenmilch gab es obendrauf. Das macht Laune. Danke dafür.

Es lag ein langer und beschwerlicher Weg vor uns. Diesmal wollte ich nicht durch Al Qusair fahren, sondern die Ortsumfahrung nehmen. Das sollte schneller gehen. Jedoch war die Straße plötzlich ganz abrupt zu Ende.


Ich kam mit 120 an, das hätte auch in's Auge gehen können. Auf der Gegenfahrbahn entgegen dem Verkehrsfluss kamen wir dann doch noch auf die Hauptstraße. Das war nur eine Sache von einem knappen Kilometer.

Ansonsten halt das Übliche: Raser, Unfälle, unvorhergesehene Hindernisse.


Was mir richtig auf den Zeiger ging, war das Brummen und die Geräuschkulisse meines Auspuffs. Noch weit vor Kairo habe ich mich entschieden, dem Passat einen neuen zu spendieren. Dieses Vorhaben wurde dann in der kommenden Woche auch gleich in die Tat umgesetzt.




Ist natürlich nicht von der Stange, sondern extra angefertigt. Man wird sehen, ob der leiser ist.

Montag, 11. März 2019

Mit vier laufenden Zylindern an den Suezkanal nach Ismailia, mit drei zurück nach Kairo und mit null in die Arbeit

Es gibt nicht so viele Ziele, die man von Kairo aus in einer Tagestour ansteuern kann. Ismailia am Suezkanal ist eines davon und da ging es am Samstag hin. Eigentlich kommt man normalerweise nicht wirklich auf die Idee, Ismailia anzusteuern, als Tourist schon gleich gar nicht. Ich wäre da auch nicht darauf gekommen, würde nicht der Mann der Cousine von Nuris Frau (irgendwie so) dort ein idyllisch am Timsahsee gelegenes Cafe und eine Burgerbar betreiben. Und der Besuch hat sich sowas von gelohnt, dass ich erwäge, das ein oder andere Wochenende dort zu verbringen. 
Jetzt aber erst einmal der Reihe nach. Es ging morgens um 9.00 Uhr los. Die ersten Kilometer der Cairo-Ismailia Desert Road waren bestens bekannt, befindet sich doch bei Kilometer 22 die Partnerschule meiner alten Schule, mit der ich damals einen Schüleraustausch initiiert hatte.

  
Der Hinweg verlief ganz ruhig, es war zwar noch eine Straße alten Stils, sprich ohne getrennte LKW-Spur und mit vielen unvorhersehbaren Fahrmanövern, aber es gab wenig Verkehr und so war das alles ziemlich entspannt und ohne besondere Vorkommnisse. 

  
Die Einfahrt nach Ismailia verlief auch ganz smooth, ich hatte diesmal extra meinen Dienstpass mitgenommen, denn man ist hier immer etwas nervös wenn sich Ausländer in Gegenden aufhalten, in denen sie sich normalerweise nicht aufhalten. Es hat sich niemand für uns interessiert, wir wurden einfach durchgewunken.
Es fiel sofort auf, dass alles viel sauberer, ordentlicher und entspannter ist, als man das von Kairo gewohnt ist. 

 
Der Laden war einfach zu finden, ebenso einfach war es, einen Parkplatz direkt am See anzusteuern.



Wir haben uns dann erst einmal direkt am Ufer einen Burger gegönnt, der auch wirklich lecker war und die Aussicht bei strahlendem Sonnenschein, blauem Himmel, frischer Luft und 23 Grad genossen.



Der Timsahsee ist ein Salzwassersee und wurde im Zuge des Baus des Suezkanals angelegt. Er liegt direkt am Kanal, wenn man genau aufpasst, kann man sogar die Schiffe erkennen, wenn sie vorbeifahren. Sie müssen aber groß sein, sonst sieht man sie nicht. 

 
Für diese Aufnahme habe ich sofort einen Rüffel bekommen. Das Fotografieren von Verkehrsinfrastruktur ist in Ägypten generell verboten, zudem ist Ismailia fest in der Hand des Militärs - zurecht wie wir später noch feststellen sollten.
Der weitere Plan des Tages war, mit der Fähre über den Suezkanal zum Kriegsdenkmal der Schlacht von Ismailia zu fahren. Das soll sehr idyllisch und schön gelegen sein, da soll es auch so etwas wie einen kleinen Wald geben. Und das in Ägypten. 


Der Fähranleger war schnell gefunden. Weit kamen wir aber nicht, denn wir hatten da eine ganz grundlegende Sache in diesem Moment nicht auf dem Schirm, nämlich dass für Teile Ägyptens immer noch eine berechtigte Reisewarnung besteht und wir auf dem besten Weg dazu waren, in den Nordsinai einzureisen, auf den sich die Reisewarnung bezieht.


 

Der Fähranleger war streng vom Militär bewacht und so wurden wir sehr freundlich, aber auch sehr bestimmt von einem jungen Offizier darauf hingewiesen, dass wir auf der anderen Seite leider gar nichts verloren haben und er uns aus diesem Grund die Weiterfahrt untersagen müsse. Auf unsere Frage nach den Gründen lautete die kurze Antwort einfach nur: "Terrorismus". 
Ich bin der Meinung, dass wir hätten gefahrlos auf die andere Seite fahren können, aber es kommt wohl gar nicht so selten vor, dass Ausländer über das ägyptische Festland in den Nordsinai einreisen, um sich dort dem IS oder Al Kaida anzuschließen. Davon sind wir zwar weit entfernt, aber das wissen die ja nicht. 
Ich möchte das aber nicht kleinreden, der Nordsinai ist eine absolute no-go-Zone. Das Militär kämpft dort seit Jahren gegen verschiedenste radikal-islamistische Gruppierungen und das, was sich dort abspielt, hat phasenweise schon bürgerkriegsähnliche Züge -  es ist dort wirklich gefährlich. 
So blieb uns nichts anderes übrig als den Rückweg anzutreten. Und wie wir uns verabschiedet haben - mit plötzlich auftretenden Fehlzündungen und einem Auto, das kaum mehr von der Stelle kam. 
Wir haben die Szenerie erst einmal so gut es ging (und es ging nicht gut) verlassen, um in sicherer Entfernung (dachten wir, in der Tat hatte man uns aber weiterhin deutlich im Visier) mal die Motorraumklappe zu heben. Das klang alles ziemlich eindeutig nach Zündung, ich konnte aber keinen Defekt erkennen. Also habe ich mal die Zündkabel kontrolliert und neu gesteckt, alles mit mäßigem Erfolg. Erst ging es gut, dann trat es wieder auf. Aber es half ja nichts, wir sollten ja nach Kairo zurück. 
Der Bus ruckelte furchtbar im unteren Drehzahlbereich, verschluckte sich und hatte Fehlzündungen. Bei steigender Drehzahl wurden diese Symptome deutlich besser. Ich konnte mir bis dato noch keinen wirklichen Reim darauf machen, bin aber auch nicht zu tief in die Materie eingestiegen. Die Lösung sollte aber später am Tag noch kommen - ein Fehler, auf den man ehrlich gesagt auch nicht sofort kommt. 

Es ist nicht einfach, das Verkehrsgeschehen auf Video festzuhalten. Ich habe es versucht, aber es ist mir nicht wirklich geglückt. 




Der Rückweg war ziemlich anstrengend, alleine auf der Cairo-Ismailia Desert Road hatten wir an die 15 Situationen, die jeweils auch ganz leicht in einem unschönen Unfall hätten enden können. Hinzu kam, dass der Bus zwar augenscheinlich ganz gut lief, aber halt nur auf drei Zylindern. Das reicht nicht ganz und war vor allem bei der Einfahrt in die Stadt und dem in Mohandessin unvermeidbaren Stau echt nervig. Die Zahl der Fehlzündungen nahm zu und der Motor nahm im unteren Drehzahlbereich nur noch bei voll gedrückter Pedalstellung Gas an. Da musste etwas passieren. Also bin ich auf dem Rückweg hustend und krachend bei meinem Teilehändler vorbeigefahren. Und da war der Fehler gemeinsam dann auch relativ schnell gefunden: zwei der Nocken auf der Verteilerwelle waren so abgenutzt, dass der Unterbrecher nur noch bei der dritten halbwegs geöffnet hat. Das reicht natürlich nicht. Wie das hier so üblich war, kam auch gleich jemand zu Hilfe. Den kannte ich schon, der sitzt den ganzen Tag in seinem VW Käfer und wartet darauf, dass jemand Hilfe dabei braucht, wenn ein Teil eingebaut werden soll, das bei meinem Händler gekauft wurde. So richtig begeistert war ich nicht, hatte ich ihn doch mal dabei beobachtet, wie er mitten im Sand einen Boxermotor mit einfachsten Mitteln zerlegt und wieder zusammengebaut hat. Das Öl floss am Boden und den Sand an den Kolben entfernte er mit Benzin. Gruselig. Aber hier konnte er ja nicht viel falsch machen. Dachte ich. Und so war der neue Verteiler auch gleich eingebaut.

               
Ich bin immer noch nicht wieder ganz auf der Reihe angesichts des Werkzeugs, das er da verwendet hat. Einen Schraubenzieher. Klar. Einen 10er/13er Gabelschlüssel, bei dem der 13er aber abgebrochen war. Da ist er mit der Zange ran, um den Verteiler bei laufendem Motor mit dem verbleibenden 10er festzuschrauben.

   
Auf den ersten Blick funktionierte das alles ganz gut. Er zog wieder (ganz ordentlich, aber noch nicht zu 100%) und lief wieder. Jedoch waren der Kondensator und der Unterbrecher relativ alt. Auch fiel mir auf, dass der Verteiler anders saß als zuvor. Ich hatte aber wenig Antrieb, mich da akut noch tiefer damit auseinanderzusetzen.
Am nächsten Morgen wollte ich dann ausprobieren, von welchem Erfolg die Arbeiten gekrönt waren. Also habe ich den Bus kurzerhand mit in die Arbeit genommen. 
Bereits nach 200 Metern war klar, dass sich die Symptome nicht wirklich gebessert hatten. Nach 2 Kilometern war dann nach viel Geruckel und zwei ordentlichen, finalen Fehlzündungen Schluss. Ich stand auf der viel befahrenen Dokki-Straße auf der linken Spur und es ging gar nichts mehr. Der Motor sprang nicht mehr an, da half alles orgeln nichts. 
So stand ich da, der Schule fast direkt gegenüber, aber durch die Straßenführung wäre nochmals ein guter Kilometer zu bewältigen gewesen. Und schon kam der erste Polizist an: Du stehst hier nicht gut. Du musst da weg. 
Ja ne, ich stehe hier nicht freiwillig, das Auto ist kaputt. So viel konnte ich noch hinbekommen, für den Rest habe ich dann das erste Übersetzungstelefonat mit meiner Assistentin geführt. Was für ein Service. Ja, ich muss da weg, der Polizist hilft mir. Und so haben wir den Bus über drei Fahrspuren einmal wuer über die Straße geschoben. Das war wenig lustig, ehrlich gesagt habe ich Blut und Wasser geschwitzt, denn das interessiert hier mal herzlich überhaupt niemanden, ob da ein Polizist steht und die Autos zum Anhalten animiert. Die fahren einfach mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Links und rechts um den Bus herum. Hupenderweise wohlbemerkt, denn wir sollten ja wissen, dass wir sie stören. 

       
Aber wir haben den Wagen auf die andere Straßenseite bekommen. Der Polizist zog von dannen, 5 Minuten später kam der nächste. Du stehst da nicht gut, Du musst weg. Ja, würde ich ja gerne, aber das geht nicht. Aber alles im grünen Bereich, die Buswerkstatt weiß schon Bescheid, die kommen gleich vorbei. Okay. 
Fünf Minuten später kam dann ein Abschleppwagen der Polizei. Ein Polizist stieg aus, nahm eine Parkkralle von der Ladefläche und begann, das Ding in aller Seelenruhe an meinem Hinterreifen zu montieren. Ja Moment, ich bin ja auch noch da. So geht das nicht. Doch, Dein Auto stehe schlecht und das geht so nicht. Ich stehe hier aber nicht freiwillig. Da musste der Chef ran. Glücklicherweise klingelte genau in diesem Moment das Telefon, die Koordinatorin der Buswerkstatt war dran und gab Entwarnung. Das Mechanikerteam asei bereits auf dem Weg zu mir, die müssten gleich da sein. Ich habe die Gelegenheit gleich genutzt, und mein Telefon dem ranghöchsten Polizisten in die Hand gedrückt, der im Abschleppwagen saß. Er hatte einen Stern auf der Schulter, die sind in der Regel ganz gut drauf. Er hat zugehört und als ich das Wörtchen "tayeb" hörte, wusste ich, dass er sich überzeugen ließ. 


Plötzlich sprangen noch drei weitere Polizisten aus dem Wagen (wieviele passen da eigentlich rein?) und parkten den Wagen mit vereinten Kräften in die eben freiwerdende Lücke ein. Glück muss man haben. So konnte er dann auch stehenbleiben.

        
Musste er aber nicht, denn just als die Polizei weg war, kam auch schon unser Werkstattmeister mit einem Mechaniker und einem Fahrer an. Das war ein regelrechtes Hallo, nach entsprechender Begrüßung und Sondierung der Lage sagte er nur: "Muftach" (Schlüssel), "Rochsa" (Fahrzeugschein) und "Tschuss". Um den Rest kümmerten die sich, der Fahrer bringt mich in die Schule.

    
Das ist echt ein toller Service, dass wir in Notfällen die Buswerkstatt in Anspruch nehmen können - und das war ein klarer Notfall. Mittags war der Wagen fertig und wieder fahrbereit. Der Verteiler wurde nicht korrekt eingebaut (mir ist auch aufgefallen, dass der ein bisschen gehoppelt ist), außerdem waren sowohl der Kondensator als auch der Unterbrecher kurz vor knapp. Jetzt kann es auf die nächste Reise gehen. Inshallah.      
       

Samstag, 23. Februar 2019

Und weiter geht's mit der Wasserpumpe, der Kupplung und dem Lenkungsdämpfer zwischen Kairo und Hurghada

Da habe ich im letzten Passatpost doch glatt die Wasserpumpe unterschlagen. Die ging zwischenzeitlich auch mal kaputt. Schleichenden Kühlwasserverlust hatte ich schon lange, das war aber im Minimalbereich und so habe ich dem wenig Bedeutung beigemessen.
Ende Oktober ging es dann nach Hurghada und da bin ich dann mehr durch Zufall auf die tropfende Wasserpumpe aufmerksam geworden.


In dem Hotel, in dem wir immer absteigen, weil es einfach superschön gelegen, mit ganz wenigen Zimmern sehr ruhig und das Essen sowas von hervorragend ist (vom freundlichen Personal mal ganz zu schweigen), muss man vom Haupthaus, wo es das die ganzen leckeren Mahlzeiten und den Pool gibt, zu den Zimmern über eine Sackgasse gehen, die dort endet.


Dort am Eingangstor stelle ich immer mein Auto ab - mit der Schnauze nach vorne. Und plötzlich sehe ich da diesen Fleck am Boden, der leicht schmierig war. Also bin ich unter's Auto gekrochen und habe auch gleich einen Tropfen an der Wasserpumpe entdeckt.
Es war immer noch ganz wenig, zurück nach Kairo sollte also kein Problem sein, aber da war Handlungsbedarf angesagt.
Da ich keine Ahnung hatte, wo ich auf die Schnelle eine Wasserpumpe herbekommen kann, habe ich das Auto in die Werkstatt gegeben. Ob es eilen würde, haben sie mich gefragt. Ja klar, den Deutschen eilt es immer. Gut, dann würden sie mal auf die Suche nach einem Ersatzteil gehen und Bescheid geben, wenn sie fertig sind.
Das Telefon klingelte bereits am frühen Nachmittag. Problem gelöst. Sie konnten sogar ein Ersatzteil Made in Germany bekommen.

 

Importierte Ware ist hier sehr teuer - es sei denn sie kommt aus China, aber das will man nicht haben. Und so habe ich für das Vorderteil der Wasserpumpe 975 Pfund bezahlt - das sind umgerechnet knapp 50 Euro. Dafür hätte ich in Deutschland wahrscheinlich zwei bekommen. Geprüft habe ich das aber nicht, bringt ja auch nichts.


Nacharbeiten musste ich auch, denn hierzulande füllt man grundsätzlich pures Leitungswasser ohne jegliches Kühlmittel in das Kühlsystem. Kühlmittel ist Frostschutz, das weiß man ja und den brauchen wir hier nicht, aber Frostschutz ist halt auch Rostschutz und wenn man die Kühlerdeckel von diversen Fahrzeugen im Kollegenkreis abnimmt, dann sieht die Suppe darunter nicht wirklich einladend aus. Da stört hier aber niemanden - am wenigsten die Ägypter.
Zwei Tage später wurde mir dann auch klar, wieso ich gefragt wurde, ob es eilt. Da kam nämlich meine alte Wasserpumpe im Neuzustand auf meinen Schreibtisch geflattert.



Komplett aufgearbeitet und neu abgedichtet - für den Fall, dass ich wieder einmal eine brauche. Scherzkeks, die erste hat 33 Jahre lang gehalten, wenn die zweite genau so lange hält, dann weiß ich gar nicht, ob ich das noch erlebe. Na ja, egal. Die Aufbereitung war übrigens wesentlich günstiger als das Neuteil.

Kürzlich habe ich mal einem Kollegen geholfen, der mit seinem Auto liegengeblieben ist. Der stand nur 4 Kilometer entfernt, aber ich habe fast eine Stunde gebraucht, um zu ihm zu kommen. Das ist sogar für Kairo lange,an einem normalen Tag würde man wahrscheinlich eine halbe Stunde brauchen. Worum es mir aber eigentlich geht ist, dass mir während dieser Fahrt aufgefallen ist, wie irrsinnig oft ich hier im stop and go das Kupplungspedal trete. Wenn man vorwärts kommen möchte, muss man sehr offensiv fahren, denn jede Lücke wird gefüllt. Manchmal wird sie auch gefüllt, obwohl es gar keine Lücke gibt. Und das mache ich jetzt schon seit knapp drei Jahren. Bekanntermaßen ist die Spritzwand beim 32b, in der der Kupplungsgeberzylinder sitzt, eine Schwachstelle. Die reißt durch den ständigen Pedaldruck irgendwann ein. Und ich traue mich wetten, meine ist auch schon gerissen.

Morgens wenn ich in die Arbeit fahre, brauche ich zwischen 7 und 10 Minuten. Je nach Verkehr und Bereitschaft zum aggressiven Fahren. Wenn ich nachmittags heimfahre, brauche ich nicht selten eine halbe Stunde, mein Rekord liegt bei einer knappen Stunde. Und es wird gekuppelt und gekuppelt und gekuppelt was das Zeug hält.

  
Für den Urquattro gab es mal so ein Verstärkungsblech, das innen mit dem Kupplungsgeberzylinder verschraubt und auf der anderen Seite am Bolzen des Kupplungspedals fixiert wird. Durch diese zusätzliche Versteifung soll die Spritzwand nicht reißen. 

Das muss man aber erst einmal bekommen. Bei Audi ist das nicht mehr zu bekommen, es gibt aber Nachbauten. Die liegen alle bei - jetzt kommt's - rund 120 Euro. Ganz schön viel für ein bisschen gebogenes Blech. Zuhause hätte ich mir das selbst gebaut, hier ist das nicht möglich. Bei Ebay Kleinanzeigen bin ich dann fündig geworden. Neu und für 70 Euro. Immer noch kein Schnäppchen, aber es hilft ja nichts. Zum Glück gibt es hier immer jemanden, der nach Deutschland fliegt und so habe ich das Verstärkungsblech an einen Kollegen liefern lassen, der es zwei Wochen später an einem verlängerten Wochenende mitnehmen konnte.
Wir waren zu dieser Zeit - was für eine Überraschung - wieder in Hurghada. Mehr aus Neugierde habe ich mich wenige Tage vorher mal in den Fußraum gelegt, um zu sehen, wie man das Verstärkungsblech einbaut. Gott sei Dank muss ich sagen, denn der Anblick war nicht schön.


Da hingen schon deutliche Bremsflüssigkeitstropfen an der Manschette. Es half aber nichts, die knapp 1000km hin und zurück musste er vorher noch absolvieren. Auf Langstrecke muss man ja nicht viel kuppeln, trotzdem hätte es mir auf der Ring Road oder in der Stadt passieren können, dass der Geberzylinder den Geist aufgibt. Es ist für mich immer wieder überraschend, wenn trotz 20 Kilometer Reststrecke bis nach hause die Fahrtzeit auf Google Maps immer noch über eine Stunde beträgt. Dann kann man sich vorstellen, was da abgeht. Na ja, egal, no risk no fun. Es ging also wieder nach Hurghada. Den Geberzylinder konnte ich gerade noch rechtzeitig bestellen, dass er bei meinem Kollegen ankam und er ihn mit nach Kairo nehmen konnte.

   
Die Straße zwischen Kairo und Ain Shokna ist sechsspurig - in beide Richtungen. Eigentlich achtspurig, weil die LKWs fahren getrennt von den Autos. Hier kann man auch mal Gas geben. 150 ist gerade noch so eine angenehme Reisegeschwindigkeit mit dem viel zu kurz übersetztem Getriebe. Es sind zwar nur 110 oder 120 erlaubt (bezeichnend, dass ich das nicht weiß) und da wird auch regelmäßig geblitzt, jedoch wurde ich noch nie zur Kasse gebeten. Das läuft eigentlich immer nach demselben Muster ab: der Polizist schaut auf das Kennzeichen, dann auf seinen Block, dann auf das Auto, dann wieder auf das Kennzeichen, dann wieder auf seinen Block, dann wieder auf das Auto, schüttelt den Kopf und winkt mich weiter. Muss ein Messfehler sein, so eine alte Kiste fährt nicht so schnell...
Zwischen Ain Shokna und Zafarana verläuft seit kurzem eine dreispurige Schnellstraße, von der aber de facto nur zwei Spuren benutzt werden sollten, denn auf der rechten Spur liegen immer wieder mal große Steine, Wasserfässer, Ölfässer, Sandhaufen oder Menschen. Was man halt unterwegs so verliert. Beim ersten Stopp auf dieser Strecke kurz nach der Mautstelle kam ein junges Pärchen in einer alten, aber sehr gepflegten S-Klasse angefahren. Die hatte ich bereits auf der Shokna-Road überholt und da ging der Daumen nach oben. Wie es möglich sei, dass ich in so einer Klapperkiste so schnell fahren könnte war nach der Begrüßung die erste Frage. Na ja, malesh, German Quality. Ich habe ihm dann die Geschichte mit der Polizei erzählt, die er ganz gut nachvollziehen konnte. Ihm ging es wohl genauso. 

Was mich immer wieder überrascht, beeindruckt und ungläubig werden lässt, ist die Fähigkeit von vielen Ägyptern, sich ausländische Gesichter zu merken und nicht wieder zu vergessen. In Zafarana auf halber Strecke gibt es eine sehr schöne Raststätte (und davon gibt es nicht viele), die wir jedes Mal ansteuern, nicht zuletzt, weil sie auf der halben Wegstrecke liegt.


Da gibt es eine ganze Armada an Autowäschern. Als ich einbog, lief mir der erste gleich entgegen. Du warst aber schon lange nicht mehr hier, das war im November das letzte Mal. Ich wasche gleich Dein Auto, ok? Obwohl es nichts zu waschen gab, weil das morgens bereits erledigt wurde - wie jeden Tag außer Freitags - hatte ich keine Chance. Der Wagen musste gewaschen werden.
Drinnen angekommen ging es dann gleich weiter. Die Bedienung kam, ah da ist er ja wieder, der kleine Raphael. Beim letzten Mal seid Ihr aber einen Tisch weiter hinten gesessen. Wann war das? Das ist schon lange her, im November muss das gewesen sein. Wie machen die das? Das wird mir ein ewiges Rätsel bleiben. Auf jeden Fall ist es lustig wenn man Besuch dabei hat, der kann das nämlich genauso wenig glauben und meint, man kennt das halbe Land. Irgendwie ist das ja auch so.

Nach einer Stärkung wollte die letzte Etappe in Angriff genommen werden. Die Straße von Zafarana nach Hurghada ist - vorsichtig ausgedrückt - nicht gut. Sie ist zweispurig, hat viele Schlaglöcher und Fräskanten, immer wieder mal fehlt ein ganzes Stück des Asphalts. Und das ganz ohne Vorwarnung.

 
Das ist etwas, das sich durch die ganze islamische Welt zieht. Von der Türkei über den Iran und Irak bis in den Maghreb nach Tunesien. Wenn an der Straße gebaut wird, dann wird keine Umleitung ausgeschildert, sondern man fährt direkt durch die Baustelle. An sich bewegenden Baumaschinen, Teermaschinen und Arbeitern vorbei. Einmal bin ich nach Assuan gefahren und dachte mir, wieso ist die Straße so nass, bis ich beim nächsten Stopp gesehen habe, dass ich durch frisches Bitumen gefahren bin. Schweller, Radläufe und die Türunterkanten waren pechschwarz, tropften noch und der Rest des Wagens war mit schwarzen Punkten übersät. Auf dem Weg nach Hurghada muss mir das wieder passiert sein, allerdings war das diesmal nicht ganz so so schlimm. Man bekommt das Zeug immer so schwer ab.

Die nächsten zweieinhalb Tage war dann erst einmal Ruhe und Erholung angesagt.


 

Der Rückweg lief besser als der Hinweg. Zumindest straßentechnisch. Die zweispurige Gegenfahrbahn ist besser in Schuss mit weniger Baustellen und besserem Straßenzustand. In beiden Fahrtrichtungen tritt aber dasselbe Phänomen auf: ich muss eine knappe Viertelumdrehung gegenlenken, dass der Wagen nicht in den Straßengraben zieht. Das ist auf Dauer recht anstrengend. Ich habe das Problem jedes Mal und deswegen vor einiger Zeit vorsichtshalber einen neuen Lenkungsdämpfer mitgebracht. Dadurch erhoffe ich mir Besserung. An die Schrauben kommt man jedoch recht bescheiden ran. Mit ausgebautem Geberzylinder sollte das besser gehen. Meine Stunde. Aber so ganz ohne Zwischenfälle lief auch der Heimweg nicht. Parallel zur Fahrbahn verläuft eine Pipeline. Ich weiß nicht, ob Öl, Benzin oder Gas. Auf jeden Fall aber wohl eine brennbare Substanz. Wenn diese mit dem, was wir da plötzlich am Horizont erblickten in Zusammenhang stand, dann war das eine nicht wirklich beruhigende Vorstellung.


Ja, da brannte tatsächlich etwas in unmittelbarer Nähe der Vorratstanks. Für Europäer ist sowas durchaus beunruhigend, hier hat das aber - zumindest bis dahin - niemanden interessiert. Keine Personen um die Brandstelle, keine Feuerwehr, kein Technisches Hilfswerk, der Brandherd war völlig verwaist. Malesh.


Wir sind auf jeden Fall gut daheim angekommen und der Kupplungszylinder hat gehalten. Am folgenden Wochenende sollte es an den Tausch gehen. Eigentlich wollte ich das noch am Donnerstag Nachmittag machen, denn das ist in der Regel gar keine große Sache, ich habe mich dann aber doch entschieden, lieber die Lichtmaschine am Bus instandzusetzen. Gott sei Dank, denn da lief nichts so wie ich mir das vorstellte. Aber jetzt mal der Reihe nach. 
Sowohl der Geberzylinder als auch das Verstärkungsblech lagen am Montag auf meinem Schreibtisch. Das hat also schon mal geklappt.





Das ist eine ganz simple Konstruktion zu einem stolzen Preis. Der Halter wird vorne mit dem Geberzylinder zusammen verschraubt, das Gegenstück in den Lagerbolzen des Kupplungspedals eingehängt und mit der originalen Federspange gesichert. So weit in der Theorie. 
In der Praxis sah das dann so aus, dass ich erst einmal Schwierigkeiten hatte, die Leitung des Geberzylinders zu lösen. Es ist in der Tat so, dass das noch der original verbaute war und die Verschraubung rostig, kein Wunder, denn sie wurde 33 Jahre nicht angetastet. 
Für die Bremsleitungen gibt es da so einen extra verstärkten Schlüssel, den habe ich hier. Die Schlüsselweite am Kupplungsgeber ist jedoch 12, der Bremsleitungsschlüssel hat 10 und 11. Also musste ich einen ganz normalen Gabelschlüssel verwenden. Da ist aber die Gefahr groß, dass er durchrutscht und die Verschraubung rund wird. 


Da ich keinen Rostlöser zur Hand hatte, musste ich nehmen, was mein Kofferraum hergab. Und darin sah es mau aus. Das einzige, was ich hatte, war das gute 5W50 Mobil 1. 


Das hat aber seinen Dienst gut verrichtet, die Verschraubung ging auf. So konnte dann auch der Kupplungszylinder von seinem Platz weichen.


Der war mal richtig fertig. Ich möchte gar nicht wissen, in welchem Zustand der Nehmerzylinder ist. Den hätte ich fast getauscht, als ich vor knapp drei Jahren das Getriebe ausgebaut hatte, um den Getriebewellensimmerring zu wechseln. Allerdings war der Stahlsplint so dermaßen in das Alugehäuse eingefressen, dass ich das habe bleiben lassen. In gut zwei Wochen treffen wir uns mit einem Freund nochmal 200 Kilometer südlich von Hurghada in Al Qusair, der bring mit einen Nehmerzylinder mit. Selbst mache ich das bei diesen begrenzten Werkstattmitteln, die mir hier zur Verfügung stehen, nicht. Aber noch ist es nicht so weit. 
Positiv ist, dass die Spritzwand entgegen meiner Vermutung noch nicht gerissen ist. Da hätte ich Haus und Hof darauf verwettet unter den Einsatzbedingungen hier. Der Wagen hat auch schon irgendwas über 200.000km runter, so genau weiß ich das nicht, weil mal der Tacho getauscht wurde. Da ist das eigentlich normal. 
Aber: der Zylinder muss schon länger geleckt haben, die Bremsflüssigkeit hat volle Arbeit geleistet. 


Auch hier hatte ich natürlich nur das gute 5W50, um etwas dagegen zu unternehmen. Wird nicht viel bringen, ist aber gut für mein Gefühl.

Jetzt war der Augenblick gekommen, um den Lenkungsdämpfer zu wechseln. Das ging nur mit gegeneinander als Verlängerung aufgespreizten Ring- und Gabelschlüsseln. Das war eine ziemliche Ochserei und hat viel Schrammen, Flüche und Nerven gekostet. Da ist halt mal absolut gar kein Platz. Und völlig umsonst war die Arbeit auch noch, denn der Lenkungsdämpfer wurde wohl bereits vom Vorbesitzer gewechselt. Er befand sich in solch einem tadellosen Zustand, dass ich den gar nicht entsorgt habe.   
Den neuen habe ich natürlich trotzdem eingebaut.


Als nächstes wollte ich das Verstärkungsblech mal probehalber in Position bringen. Das ging zunächst ganz gut, doch das hintere Ende ist zu stark. Die Nut für die Federspange im Lagerbolzen wurde durch das Verstärkungsblech verdeckt. So bekam ich das nicht eingebaut. Was also tun. Erst mal das Kupplungspedal ausbauen. Und schon fiel mir die Totpunktfeder entgegen. Die sollte mich noch büßen lehren. 
Das Pedal ist am oberen Ende, in der Führung des Lagerbolzens, mit zwei Hartplastikbuchsen  versehen, die das Pedal in der Führung halten und als Führungslager fungieren. Links und rechts stehen die ab. Ich musste diesen Überstand an einer Seite entfernen, um den notwendigen Freiraum für das Verstärkungsblech zu gewinnen. Gerne habe ich das nicht getan, aber es hilft ja nichts. Fotos habe ich keine gemacht, irgendwie habe ich das vergessen. 
Kurze Anprobe, passt, das Pedal konnte wieder fixiert werden. Und dann kam diese Totpunktfeder. Es muss viele Jahre her sein, dass ich solch ein Teil zuletzt in Händen hatte, ich hatte keine Ahnung, wie ich das wieder eingebaut bekomme. Ich lag fast eine Stunde mit dem Rücken über dem Einstieg im Fußraum und habe mit diesem vermaledeiten Ding gekämpft. Mir tut heute noch alles weh. 

Jetzt konnte der neue Geberzylinder seinen Weg in die Karosserie finden. 

  
Klingt einfach, aber so einfach war das alles gar nicht. Das musste schon ein paar Mal rein und raus, an- und abgeschraubt werden, bis sowohl der Kupplungszylinder als auch das Verstärkungsblech miteinander harmonierten. Da geht es wirklich verdammt eng zu.


Ich war ziemlich fertig und erschöpft, war ich doch schon über 6 Stunden ohne Pause beschäftigt, hatte nichts zu trinken dabei und die meiste Zeit in dieser schmerzhaften Rückenstellung im Fußraum verbracht. Ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass mich das so stark in Anspruch nehmen würde. Ich war wohl geistig so umnachtet, dass ich zunächst den Gabelkopf falsch montiert hatte. Ergebnis war eine leicht verbogene Druckstange. Wie blöd muss man eigentlich sein? Ich mache das schließlich nicht zum ersten Mal. Wenigstens ließ sich das Problem relativ leicht beheben.

Der neue Zylinder bekam noch eine neue Bremsflüssigkeitsleitung und dann konnte es an den letzten Schritt gehen: das System entlüften. Glücklicherweise sitzt der Abgang für das hydraulische Kupplungssystem im Bremsflüssigkeitsbehälter oberhalb der Speisung für die Bremsanlage. So musste ich zumindest nicht das ganze System entlüften.

  
Eine Sache ist da aber noch auf die ich keine Antwort habe. Wie kann es sein, dass zwei Wochen nach dem Bremsflüssigkeitswechsel da so eine dunkle Brühe rausläuft? Vielleicht hat ja jemand eine Idee. 


Beim ersten Probelauf hatte ich schon Bedenken, dass die Kupplung gar nicht mehr greift, denn vor dem Eingriff kam die beim Einkuppeln sehr früh kurz nach dem Bodenblech im ersten Drittel des Pedalwegs. Jetzt kommt sie im letzten Drittel. Ich bilde mir ein, dass sich das viel harmonischer anfühlt.  
Bevor es wieder heim ging, musste ich aber dringend noch zum Tanken. Ich hatte seit Hurghada nicht mehr aufgefüllt und auch 52 Liter in den Tank gebracht. Wobei ich immer noch nicht genau weiß, ob der 4-Zylinder Vergasermotor auch einen 70-Liter-Tank hat oder doch nur 60 wie die Fronttriebler. 20 Euro hat mich der Spaß gekostet. Auf halber Strecke zur Tankstelle ist mir dann eingefallen, dass ich etwas vergessen hatte, das Euch vielleicht drei Bilder vorher auch schon aufgefallen ist: die Kontermutter war noch nicht angezogen. Also musste ich vor meiner Haustüre noch einmal in den Fußraum. Hier wundert sich schon keiner mehr darüber. Dass ein Ausländer selber schraubt und sich die Finger schmutzig macht, obwohl er sich ohne Probleme einen Werkstattbesuch leisten kann, stößt hier in der Regel auf vollkommenes Unverständnis. In meiner Straße und in der Parallelstraße, in der ich meine Garage habe, heißt es mittlerweile schon, dass ich KFZ-Meister aller Klassen sei und jedes Problem mit links lösen kann, was so ja auch nicht ganz stimmt.
Auf jeden Fall habe ich bereits die nächste Baustelle entdeckt: die Aggregateträgerlager vorne müssen neu.